Der Begriff

Der Wert ist die zentrale Kategorie in der Analyse der Marktwirtschaft. Er ist zugleich Bewegungsgesetz und Subjekt einer Gesellschaft, in der "die Menschen unter der Kontrolle von Dingen stehen, statt sie zu kontrollieren". Der Wert ist vergegenständliche menschliche Arbeit, die sich als Anspruch auf Aneignung der Produkte menschlicher Arbeit schlechthin bildet - und zwar so, daß die Fundamente dieser Produktion zugleich ständig revolutioniert und sukzessive zerstört werden.

Fragen

Frage: Kann der Begriff Wert nicht unabhängig vom Begriff der Marktwirtschaft existieren?

Antwort: Die Wertabstraktion ist historisch so alt wie es Versuche gegeben hat, ein allgemeines Tauschmittel zu etablieren. Aber erst in der Marktwirtschaft durchdringt der Wert alle Poren der Gesellschaft und wird zum dominierenden gesellschaftlichen Verhältnis. Nur in der entwickelten Marktwirtschaft sind die Menschen zu hundert Prozent vom Wert abhängig geworden, ist die Eigenproduktion und Subsistenz zerstört.

Frage: Wieso soll "Wert im marktwirtschaftlichen Sinn" gleich "vergegenständlichte menschliche Arbeit" sein? Ist das genetisch gemeint als "Wert entsteht aus menschlicher Arbeit" oder ist das mechanistisch gemeint als "Wert lässt sich in menschliche Arbeit umsetzen" oder ist das analytisch gemeint als "wir wollen Arbeit als eigentlichen Wert betrachten"? Genetisch wäre der Einwand anzubringen, dass viele Werte überhaupt nicht mit Arbeit in einen quantitativen Zusammenhang zu bringen sind: wenn etwa jemand in Nabibischem Wüstensand einen Diamanten findet. Mechanistisch wäre einzuwenden, dass sich der markwirtschaftliche Wert in alles mögliche umsetzen lässt, Arbeit ist nur ein Teilaspekt. Analytisch ist diese weltanschauliche Wertung am falschen Platz: was hätte in einer automatisierten Welt die "Arbeit als zentraler Wert" für einen Sinn?

Antwort: Zunächst zur letzten Frage: gerade weil das Warensystem auf Arbeit als Wertsubstanz aufgebaut ist, ist es mit der automatisierten Welt so inkompatibel. Das hat schon Norbert Wiener festgestellt in seinem Buch "Kybernetik". ""Es kann nicht gut sein, diese neuen Kräfteverhältnisse in den Begriffen des Marktes abzuschätzen, des Geldes, das sie verdienen. Wenn man sich diese Revolution abgeschlossen denkt, hat das durchschnittliche menschliche Wesen mit mittelmäßigen oder noch geringeren Kenntnissen nichts zu verkaufen, was für irgendjemanden das Geld wert wäre. Die Antwort ist natürlich, daß wir eine Gesellschaft haben müssen, die auf menschliche Werte gegründet ist und nicht auf Kaufen und Verkaufen."(Kybernetik, 59ff)


erkenntnistheoretisches

Frage: Was ist in dem Zusammenhang mit Kategorie gemeint?

Antwort: Kategorien sind Eigenschaftsbestimmungen für eine große Menge an Gegenständen. Ursprünglich kommt der begriff vom griechischen "katergorein", urteilen."Kategorien (katêgoriai von katêgorein, aussagen, »praedicamenta«): Aussagen, allgemeinste oder Grundaussagen über das Seiende, Grundbegriffe, Stammbegriffe, oberste Begriffe als Niederschlag von allgemeinsten Urteilen über das Seiende, Fundamentalbeurteilungen, Denkformen, Denksetzungen, Seinsarten. Die logischen Kategorien sind die allgemeinsten Begriffe, welche aus der denkenden Verarbeitung der Erfahrungsinhalte entspringen. Sie sind nicht direkt aus der Erfahrung (den Empfindungen, Vorstellungen) abstrahiert, sondern haben in dieser nur ein »Fundament«, d.h. die Erfahrung (das Gegebene) enthält Momente, die zur Setzung der Kategorien veranlassen, nötigen." Rudolf Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe,1904,http://www.textlog.de/3784.html. Der Wert ist nicht als solcher der Erfahrung zugänglich, sondern wird als Einheit, Identität, Substanz und Wirkkraft den verschiedenen Phänomenen der Marktwirtschaft als "inneres Band" unterstellt. Ganz ähnlich wie z.B. "Gravitation" in der Physik den Gesetzen des Falls zugrunde liegt und eine dem äußeren Augenschein nicht zugängliche innere Beziehung zwischen Objekten ausdrückt.

Frage: Wie kommt man von obiger "struktureller Aussage" zu einer beschreibenden Definition?

Antwort: die obige Aussage ist keine Definition, sondern eben nicht mehr als eine strukturelle Aussage. Die Definition ist eine schwierige Geschichte. Die Kopula "ist" im Urteil verbindet ja immer nichtidentisches. Das heißt, ich setze mit jedem Satz eine Darstellungsvoraussetzung, die dann einzuholen ist. Die beste Literatur die ich dazu kenne ist "Die Ware" von Heinrich Brinkmann (Die Ware. Zu Fragen der Logik und Methode im "Kapital". Eine Einführung (= Argumentationen Band 22)Brinkmann, Heinrich, Focus, Gießen 1975)sowie Volkbert M. Roth, Zum wissenschaftlichen Anspruch der Wertformanalyse: AUFGREIFEN aus dem Alltagsverständnis der Realität, HERLEITEN von Analyse-Kategorien, Begründung von DARSTELLUNGSVORAUSSETZUNGEN. Eine sozialphilosophische Studie, Habilitationsschrift Universität Konstanz 1976. Im Netz gibts ein schönes Papier dazu: http://www.docaugustin.de/marx/texte/0Marx04c1.pdf)

Daraus ein kurzer Auszug:

"Die dialogische „Prozedur, welcher sich das natürliche Bewusstsein bei dem Eintritt in das spekulative Denken unterwirft“ lässt sich kurz so summieren:

1. „Das spekulative (systematische) Denken mutet an keiner Stelle dem natürlichen Bewusstsein (Alltagsverständnis) zu, sich aufzugeben. Vielmehr baut es auf diesem in einer eigentümlichen Art auf und überführt es in etwas, was immer noch es selbst und zugleich nicht mehr es selbst ist.“

2. Das „natürliche Bewusstsein“ darf „auf seinen sämtlichen Erfahrungen beharren – unter der Vorraussetzung, dass es die Geltendmachung seiner Erfahrungen dem Anspruch des spekulativen Denkens unterwirft, sich von diesem den systematischen Ort vorschreiben lässt, an dem es jeweils mit seinem Erfahrungen argumentiert. ... es muss bereit sein, Einwände zurückzustellen, bis die systematische Theorie die Stelle erreicht hat, wo sie erörtert werden sollen.“

3. In der „Artikulation seiner Einwände ist am Anfang des systematischen Vorgehens das natürliche Bewusstsein“ unbeschränkt. „Der mit der Systematisierung der Erfahrungen“ – des Alltags – „einhergehende kategoriale Fortschritt grenzt dann die Möglichkeiten ein, wie das natürliche Bewusstsein“ –im Dialog mit dem systematischen Denken – „seine Erfahrungen einbringen kann.“

4. „Die Analyse endet dort, wo das natürliche Bewusstsein die Herkunft der in ihm herrschenden Kategorien aus den durch die systematische Analyse aufgedeckten ... Verhältnissen erkannt hat ... Damit hat sich das natürliche Bewusstsein im systematischen spekulativen Denken aufgehoben ohne je seine Erfahrungen aufgegeben haben zu müssen.“

Roth nennt diesen Prozeß das "Aufheben von Darstellungsvoraussetzungen".

Wenn man diese Aussagen ernst nimmt, dann ist der Begriff des Werts die Darstellung der kapitalistischen Gesellschaft selbst. Der Wert ist kein "Pattern", sondern "Pattern von Patterns". Jedes Pattern (zum Beispiel Geld) ist gemäß dem schrankenlosen Anspruch des Werts partielle Einlösung, verweist aber über sich selbst hinaus auf immer neue Patterns (zum Beispiel Kapital) - schließlich auf eine Totalität von Verhältnissen, unter denen die Wertabstraktion sich immer weiter entfaltet. Unsere subjektive Erfahrung in den letzten Jahrzehnten ist eine, die durchaus diese Totalisierung immer plausibler einzuholen imstande ist. Ich tue mir heute leichter mit dem "Beweis" des Werts als noch vor drei Jahrzehnten. Aber das ist überhaupt nichts Erfreuliches. "Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen heißt Wirklichkeit zerstören" wußte schon Hegel. Heute ist der Wert an seinem logischen und historischen Ende angelangt. Aber das bedeutet einen riesigen Zusammenbruchs- und Transformationsprozeß, der sehr schmerzhaft sein kann.

Wie man den Wert "beweist"?`

Nun, indem man drauf hinweist daß z.B. nichts auf der Welt der Frage entgeht, wieviel es "wert ist". Also der totalisierende Zugriff des Marktes ist dem Alltagsbewußtsein durchaus bekannt.

Ich kann auch drauf hinweisen, daß alles was heutzutage produziert wird mehr oder weniger Industrieware ist, also kalkuliert zwischen Gestehungskosten und Marktpreis. Ich muß aber das "natürliche Bewußtsein" darauf hinweisen, daß im Preis zugleich der Wert ausgelöscht erscheint, die Preise sich zirkulär aus sich selbst begründen und die Verteilung der Revenuen zwischen Kapital, Boden und Arbeit den Anschein erweckt, als würde jede dieser Revenuequellen einen Beitrag zum Neuwert leisten. Ich kann auf die Paradoxien dieser "Erklärung" hinweisen, aber um das reale Verhältnis zu begreifen muß ich die Stufen der Entwicklung der Wert - "Patterns" nachvollziehen.

Diskussion

FranzNahrada:Der Wert ist die zentrale Kategorie in der Analyse der Marktwirtschaft, oder genaugenommen die Folge der Wertformen, die sich notwendig auseinander ergeben: Relative Wertform, Äquivalentform, allgemeine Äquivalentform, Geld, Schatz, Kapital, produktives Kapital, Warenhandlungskapital, zinstragendes oder Finanzkapital, Aktienkapital, Nationalkredit, Weltgeld. Eine schöne Darstellung findet sich bei Volkbert M. Roth, Kapitalanalyse als Wertformanalyse.

Wert kennt keine Bewegung außer der quantitativen Vermehrung; er muß sich dazu aber aus einer Form in die andere verwandeln, das "Risiko des Produktionsprozesses" auf sich nehmen, in dem die einzige Ware konbsumiert wird, die in ihrer Konsumtion regelmäßig mehr Wert schafft als sie selbt gekostet hat: die Arbeitskraft.

Seiner Substanz nach ist der Wert die "tote Arbeit", das Resultat der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im Arbeitsprozeß, das sich auf die Herstellung von Waren richtet. Paradoxerweise richtet sich die Anstrengung aller Produzenten darauf, in ihren Waren mindestens gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zu repräsentieren; Arbeitszeit die darüber hinaus geleistet wurde schafft keinen Wert. Darin liegt eigentlich auch schon das Geheimnis der desaströsen Konsequenz der Wertvergesellschaftung.

A.F.: siehe meine Bemerkung beim Begriff "Gebrauchswert"

BVW/WertUndGeld/Wert (last edited 2006-01-22 23:00:43 by FranzNahrada)

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