Diskussion

Open Source heißt Empowerment.

Wir leben wirtschaftlich gesehen in einem Zeitalter, welches einerseits von Verfügbarkeit und Kopierbarkeit von fast allem gekennzeichnet und andererseits von künstlicher Verknappung geprägt ist. Ideen und Konzepte treten dabei zunehmend in den Vordergrund, physische Produkte wie das Mobiltelefon scheinen dabei nur mehr Anhängsel eines Nutzungsvertrages; Computer sind billiger als die zum Leidwesen der kommerziellen Hersteller kopierbare Software.

Mit Konzepten wird das große Geld gemacht. Kaum verwunderlich ist es daher, dass die Wirtschaft ständig hungernd danach trachtet, aus dieser Ressource, dem Wissen, dem Konzept, der Idee, welche ursprünglich eher als Allgemeingut galt, ihr Kapital zu schlagen; sie kann nicht anders. Es ist der Wirtschaft heute zu wenig, konkrete Erzeugnisse zu schützen ein Medikament, ein Schreibprogramm. Höheren Ertrag verspricht die Patentierung von Konzepten: eine DNA-Sequenz, ein SoftwareKONZEPT, das heißt, die Idee hinter einem konkreten Programm. Analog zum Automobilbau hieße das: ein Konzern sichert sich das Patent für ein Ding mit vier Rädern und einem motorisierten Antrieb.

Die Folge aus dem zunehmenden Schutz von Ideen und Konzepten und aus dem Zwang, seinen Gewinn daraus zu beziehen, ist der Versuch einer Homogenisierung. Alternativen sollten idealerweise nicht existieren, die Benutzung einer Idee durch andere soll Gewinn abwerfen.

Freier Markt, wie er zur Zeit verstanden wird, schafft also Monopole. Homogenisierung der Ideen. Unterdrückung von Alternativen. Verknappung der Wahlmöglichkeiten.

In einer Gesellschaft, welche sich zunehmend über die Kommunikation definiert, ist eine solche Entwicklung fatal. Langfristig hieße das, dass uns unsere öffentliche Sprache abhanden kommt: kulturelle Errungenschaften hätten sich innerhalb eines genau geregelten Lizenzsystems abzuspielen, wären nicht mehr nur Allgemeingut.

Neue Abhängigkeiten werden geschaffen. Zahl die Lizenz, oder du bist draußen. Wie unsere Software genau funktioniert, sagen wir dir nicht. Alternativen werden mit unserem Programm nicht zusammenarbeiten. Friss oder stirb.

Besonders den armen Ländern muss die Double-bind-Situation aus Entwicklungsversprechen und Abhängigkeiten nur allzu vertraut vorkommen. Closed-Source-Software steht einem Empowerment solcher Gesellschaften in mehrfacher Hinsicht im Wege:

Closed-Source-Software beinhaltet also neben den primären Kostenfaktoren Anschaffung ein enormes Erpressungspotential, welches in den üblichen Kauf- und Wartungsverträgen nicht ersichtlich ist. Der zurzeit hegemoniale Softwarehersteller übt auf seine Kunden Druck aus, neue Produkte zu erwerben, indem er die Wartung für zuvor verkaufte Produkte schlicht nicht mehr anbietet.

Closed-Source-Software widerspiegelt Bedürfnisse, Ideen und Ideologien der Gesellschaft, in der sie entwickelt wurde; ihre Entwicklung folgt im Großen einer Anpassung von oben, einem Top-Down-Prinzip. Lokalisierung erfolgt als Serviceoption, nicht als Notwendigkeit. Die Anpassung an eine weniger häufig gesprochene Sprache etwa befindet sich in einem Closed-Source-Projekt im Wettstreit mit strukturell gänzlich verschiedenen Faktoren: es ist zum Beispiel möglich, dass eine solche Anpassung der Notwendigkeit eines neuen Verpackungsdesigns oder eines neuen Spielchens oder einer betrieblichen Umstrukturierung zum Opfer fällt. Homogenisierung, Verknappung als natürlicher Prozess.

Open Source heißt nichts anderes als Artenvielfalt, als freier Widerstreit von Ideen, als Kreativität. Open Source ist kein Virus Open Source ist ein natürlicher Zustand. Open Source sind die Kochrezepte, die sich unsere Großmütter austauschten, die sie diskutierten, verfeinerten.

Open Source, das Produkt, das ich nicht nur benutzen, sondern mitgestalten kann, das ich so es meinen Ansprüchen nicht entspricht verändern kann. GNU/Linux zum Beispiel: in seinen kleinen Varianten kann es Mobiltelefone steuern, in seinen größeren hält es das Internet zusammen. Es gibt Varianten, welche veraltete Hardware produktiv halten. Es gibt Varianten, welche auf regionale Bedürfnisse eingehen, z. B. auf afrikanische Sprachen. Erpressung eines geheimniskrämerischen Hegemons sind hier nicht möglich: jeder kann die Geheimnisse der Source-Codes, der Programmvorschriften, ergründen und nutzbar machen.

Dies ist nichts aufregend Neues oder Gefährliches. Das ist es, worum es geht: Wahlmöglichkeiten, Selbstbestimmung, Mitgestalten. Denken Sie an die Kochrezepte.

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KategorieVeraltet

Einführungstext zu freie Projekte (last edited 2005-07-31 18:44:04 by StefanMertenEdit)

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