Unterseiten:
Diskussion im Vorfeld des Workshops "New Work"
Zusammenschnitt der bisherigen Diskussion
Die Diskussion bezog sich ursprünglich auf http://aymargeddon.de/laboratorium/index.php/Arbeit
Zur Vielzahl der Arbeitsbegriffe
HGG 2703
- Ich nehme als Ausgangspunkt, was wir wohl beide an Uli Sigors Wesensbestimmung von Arbeit (mtb-snw 13.1) als das, "was seine eigene Verminderung zum Ziel hat" - so habe ich dich jedenfalls verstanden - auszusetzen haben; es scheint eine zu enge Fassung des Arbeitsbegriffs zu sein, wenn wir über heutige Praxen sprechen wollen.
Ich hatte dem (mtb-snw 13.1.1.5) die Definition "Arbeit = tätige Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbedingungen" entgegengesetzt und behauptet, dass dies der weite Arbeitsbegriff bei Marx ist. Der KANN natürlich auf eine "Effizienzsteigerung" hinauslaufen, aber Effizienz ist nicht ohne Prämissen zu denken (effizient in welchem Verständnis, unter welchen Rahmenannahmen?). Und deshalb bedeutet "eigene Verminderung" zugleich, dass mehr Arbeit in die Sicherung der RAHMENBEDINGUNGEN der Effizienz zu stecken ist (oder eben "Kollateralschäden" in Kauf zu nehmen). Das bleibt bei Sigors Ansatz (bzw. Franz' Darstellung desselben) ausgeblendet.
Benni 2703
- Rückfrage: Ist "Weiter Arbeitsbegriff bei Marx" das, was ich unter der Formel "Arbeit = Stoffwechselprozeß mit der Natur" kennengerlernt habe?
HGG 0404
- Im Prinzip ja, obwohl ich mit dieser Kurzformel meine Probleme habe und meine Kurzformel treffender finde. Aus dem Substantiv "Prozess" schaut mir schon wieder so eine dingliche Sicht raus, wir schauen auf den Prozess und nicht das Prozessieren. Wäre weiter zu präzisieren.
Benni
- <zitat>Wenn man sich mit dem Phänomen und dem Diskurs Arbeit beschäftigt, merkt man sehr schnell, dass eine Vielzahl von Arbeitsbegriffen im Umlauf sind: ökonomische, psychologische, anthropologische, ästhetische, ethische ja selbst theologische. Diese sind oft im Widerspruch zueinander, ebensooft werden sie aber im alltäglichen Gebrauch in gegenseitiger Unterstützung verwendet.</zitat>
HGG 2703
- Ist das nicht Ausdruck der Widersprüchlichkeit der "tätigen Auseinandersetzungen mit den eigenen Lebensbedingungen", Ausdruck der Vielfalt des Lebens selbst? Wo ist die Grenze zwischen "Arbeiten" und "Leben"? Gibt es eine solche überhaupt oder ist das, was wir als Grenze wahrnehmen, ein Fetisch und Ausdruck der Verdinglichungstendenzen DIESER Gesellschaft, die wir im Begriff "Fluss des gesellschaftlichen Tuns" [Holloway-04] (alle Literaturangaben beziehen sich auf mtb-snw) überhaupt erst einmal wieder flott bekommen müssen?
Benni 2703
- Mir geht es gerade nicht darum, eine definitorische Grenze zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit zu ziehen. Ist das nicht klar geworden? Mir geht es darum, dass jede Grenzziehung den Wirbel unterstützt (Also auch Deine, wie genau das geschieht müsste ich mal rekonstruieren, das gehört zum TODO dieses Textes - der ja noch nicht fertig ist).
HGG 0404
- Entgrenzung von Arbeit hat m.E. schon einen Arbeitsbegriff im Hinterkopf. Das war meine Frage über den Unterschied zwischen "Arbeiten" und "Leben".
Verschwindet der Arbeitsbegriff?
Benni
- <zitat>Ein kritischer Umgang mit diesem Phänomen kann also nicht nur darin bestehen, der Vielzahl an Begriffen einen weiteren hinzuzufügen, wie es der Marxismus versucht hat, sondern muß in dem Versuch bestehen die alltägliche Konstruktion in dem, was wir unter "Arbeit" verstehen, zu dekonstruieren und schliesslich aufzuheben.</zitat>
HGG 2703
- Verschwindet damit der Arbeitsbegriff vollkommen? Oder gibt es unter der Vielzahl von Arbeitsbegriffen "enge" Begriffe und einen "weiten" Meta-Begriff? Wo wir sagen können, dass jeder der engen Begriffe eine FORM (als Informatiker würde ich auch sagen INSTANZ) des weiten Begriffs ist? Meine Antwort war: Zweiteres, und ich fokussiere auf EINEN der engen Arbeitsbegriffe, eben den der produktiven oder Erwerbsarbeit, weil DIESE Gesellschaft ihn derart hypertrophiert, dass man ihn schier für den Meta-Begriff halten könnte.
Benni 2703
- Mir liegt auch nichts daran, einen Arbeitsbegriff zu finden - sei der jetzt eng oder weit -, das ist ja gerade der Knackpunkt.
HGG 0404
- Nun, mit "Arbeit als Bedeutungswirbel" wirst du um Semantiken (Mehrzahl) und deren Beziehungen zueinander nicht herumkommen.
SMn 1004
- Ich habe mal ein bisschen über das Thema des Seminars nachgedacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich bei näherem Nachdenken eigentlich dazu komme, dass es - hinsichtlich einer emanzipierten Gesellschaft - eigentlich um NoWork gehen müsste anstatt um NewWork. Eine Aufhebung der Arbeit auf einer höheren Stufe, auf der der Begriff der Arbeit einfach keinen Sinn mehr macht, weil er nichts mehr abgrenzt.
Annette 2803
- Beim Rumlesen finde ich dazu gerade zwei Bestimmungen von Arbeit, die mir doch ganz gut gefallen: <zitat>kollektive vergegenständlichende Naturveränderung und Kontrolle von Naturkräften zur vorsorgenden Verfügung über die gemeinsamen Lebensbedingungen</zitat> (Holzkamp Grundlegung: 176f.) und menschliche <zitat>Selbstbetätigung bei der Produktion materieller Existenz</zitat> (Haug Frigga: VL zur... Erinnerungsarbeit: 190).
Da wird nicht alles menschliche Tun einerlei gesetzt (alles gleichberechtigt, gleichgemacht, ununterscheidbar gemacht), sondern eine bestimmte Spezifik betont (die auch gegenständliche Veränderung von sich selbst, dem Mittel, dem Objekt)- die Spezifik sehe ich vor allem dadurch, dass diese Tätigkeit die Lebensbedingungen selbst bewusst verändert. Falls wir dazu nicht "Arbeit" sagen dürfen, weil das Wort zu abstrakt ist, dann müssen wir eben jeweils die ganzen Halbsätze immer mit formulieren (Tätigkeit, die...).
Zu den Inhalten eines einheitlichen Arbeitsbegriffs
Franz 2703
- Ich zitiere ein wenig aus dem unpublizierten Material das mir Uli Sigor zur Verfügung gestellt hat und aus seinen knappen "Thesen zur Informationsgesellschaft", um zu zeigen daß er das sehr wohl formuliert hat....
<zitat>Produktiv ist Arbeit dann, wenn sie eine nachhaltige Erhöhung der Handlungsspielräume für den Menschen mit sich bringt. Darin liegt auch eine Erinnerung des sehr naheliegenden Begriffs von Arbeit, als einer selbstvermindernden Tätigkeit (vgl. o.)
Das schließt die Effektivität der Fertigung der Dinge ein, "Effektivität" nach betriebsübergreifenden Kriterien, welche insbesondere auch die infrastrukturelle Sinnhaftigkeit der benötigten Produktionsmittel erfassen. Unter dem Gesichtspunkt "ganzheitlicher" Sinnhaftigkeit wird Arbeit zur Arbeit am Begriff, am Konzept der Dinge. Erleichterungen des Lebens gehen auf verbesserte Konzepte der Mittel und des Rahmens zurück. Feinabstimmung, Standards der Baukästen, aber auch Entkopplung sollen eine Reduktion der Komplexität bewerkstelligen. Die substantielle Definition der Dinge und Sachverhalte geht mit wachsender Komplexität in die Definition der Schnittstellen innerhalb der Gesamtheit der beteiligten Prozesse über.
Der richtige Ansatz ist im Gegensatz zu dem der Wirtschaft weder ressourcenbelastend noch technikfeindlich noch bringt er Verteilungsprobleme von Arbeit und der Güter mit sich: Lebendige menschliche Arbeit einzubringen in einen Prozeß gemeinsamer Gestaltung der Güter, bevor sie (unter Beteiligung von immer weniger menschlicher Arbeit) erzeugt werden,ist nahezu unbegrenzt sinnvoll, und hat nahezu immer den Effekt eines Zugewinns an Spielräumen, im Vergleich zum Fortbestehen weniger feiner Abstimmung der Qualitäten im System. In einer Metapher kann man sagen, "Ordnung rentiert sich" - was richtig verstanden werden muß: auch Entkopplung ist eine Dimension von Ordnung, die aber ebensolche Abstimmung erfordert, wie die Vernetzung. Bewußte Vernetzung ist immer zugleich Entflechtung gewachsener Vernetzung.</zitat>
und anderswo:
<zitat> Die "zu tabuisierende" Utopie der "drohenden" neuen Gesellschaft ist denkbar einfach. Die Automation lieferte uns idealiter die Kopien eines jeden beliebigen Nutzenschemas zum Preis der verkörperten Ressourcen. Das gilt rekursiv für die Automation. Die Informatisierung liefert uns die Wissenstechnik für die Entwicklung der Urbilder dieser Nutzenschemata. Zum Preis der lebendigen Arbeit, die darin zu verkörpern ist. Je komplexer die Welt, desto mehr Anstrengungen braucht es, sie in Ordnung zu halten. Zwei Dinge gehörig in Beziehung zu setzen braucht gestern 4, heute 8, morgen 16 Überlegungen und wer ans Ende der Arbeit glaubt, muß mindestens hinterm Mond sein. Obendrein legt der materiale Zustand der Gesellschaft nahe, daß wir viel zu spät mit dem Potenzieren angefangen haben. Wir müssen reichlich Überlegungen nachholen.</zitat> (Thesen zur Informationsgesellschaft)
Arbeit, Vergegenständlichung und Verdinglichung
Benni
- <zitat>Zum anderen wäre ein weiterer Begriff von Arbeit immer damit konfrontiert, dass Arbeit immer eine Beziehung zwischen Menschen und Dingen sein muß, sei es als Mühsal oder als Stoffwechselprozeß mit der Natur. Eine fundamentale Gesellschaftskritik mit einer Perspektive der Veränderung (und um die geht es hier) muß jedoch immer die Beziehungen zwischen Menschen im Blick haben. Die postulierte Allgegenwart der Arbeit - und sei es auch noch so kritisch gemeint - ist also immer auch die Allgegenwart der Verdinglichung (und nicht nur ihr Postulat!).</zitat>
HGG 2703
- Arbeit an Verdinglichung zu binden heißt, die Verdinglichung zu hypertrophieren. Aber aus dieser Denkfalle (noch einmal Verweis auf [Holloway-04]) wollen wir ja gerade heraus. Das ergäbe also einen Arbeits-Metabegriff, der mir zu eng wäre.
Benni 2703
- Wer ist hier jetzt Dein Addressat? Ich sage ja dasselbe.
HGG 0404
- Genau das bestreite ich. Und zwar mit der Kommunismus-Definition der "Deutschen Ideologie" im Hinterkopf: Kommunismus = Produktion der Verkehrsformen selbst. Also dem Anspruch, dass wir die Formen, in denen wir verkehren, in Zukunft genauso "produzieren" müssen/können/werden wie heute materielle Güter. Da sind wir m.E. übrigens auf der Sachebene schon fleißig dabei.
HGG 2703
- Hinweis auf die Parallele zur Diskussion um den Informationsbegriff auf der ox-Liste im Frühjahr, die im Flame mit Stefan Merten und Stefan Eissler endete, weil ich ihnen einen "dinglichen Informationsbegriff" vorgehalten hatte (wie offensichtlich Peter Janich anderen Informatikern Ende der 90er Jahre - mit demselben Ergebnis).
Annette 2803
- Ja, es geht immer um die Auflösung der Verdinglichung. Aber nicht jede Objektivierung der Tätigkeit von Subjekten, nicht jede Vergegenständlichung ist eine Verdinglichung. Das Wort "Verdinglichung" klingt zwar so ähnlich, aber es macht Sinn, damit eine besondere Form von Vergegenständlichung zu bezeichnen, nämlich jene, bei der die hergestellten Gegenstände eine den Privatproduzenten äußerliche (abstrakte) Vergesellschaftung "hinter dem Rücken" der Produzenten erzeugen. Du brauchst dem natürlich nicht folgen, aber wir müssen damit rechnen, dass wir uns untereinander nur schwer verständigen können, wenn jede/r etwas anderes unter Worten versteht.
Ich denke, die Differenzierung in Objektivierung/Vergegenständlichung - Verdinglichung (entfremdete Vergegenständlichung) macht sehr viel Sinn, um die Spezifik der kapitalistischen Gesellschafts-, Produktions- und auch Individualitätsform zu verstehen.
Marx kritisiert übrigens Hegel gerade deswegen, weil Hegel mit der entfremdeten Vergegenständlichung gleich die Vergegenständlichung als solche aufgeben will.
Die Bedeutung der Gegenständlichkeit des Menschen ergibt sich übrigens auch aus feministischen und anderen Argumenten, die sich positiv auf die Körperlichkeit des Menschen beziehen - gegen die Reduktion des Menschlichen auf das subjektiv-Geistige.
Nochmal Marx dazu (für unentfremdete Verhältnisse): <zitat>Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben, kurz, alle Organe seiner Individualität,... sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben. Die Aneignungen der menschlichen Wirklichkeit, ihr Verhalten zum Gegenstand ist die Bestätigung der menschlichen Wirklichkeit...</zitat> (Ök.-Phil.-Man., in MEW 40: 539f.)
Neben rein subjektiven Beziehungen zwischen Menschen wird es also auch vergegenständlichender (objektivierender) Tätigkeiten bedürfen, um menschlich leben zu können. Nochmal einige Erinnerungen:
allgemein:
<zitat>Das Produkt der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixiert, sachlich gemacht hat, es ist die Vergegenständlichung der Arbeit.</zitat> (ÖPM: MEW 40: 512) Bewährung des menschlichen (freien, bewußten) Gattungswesens im <zitat>praktischen Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur.</zitat>(ebd.: 516)
Menschen werden nie nur ungegenständliche Beziehungen pflegen oder Gegenständlichkeit in unmittelbarer Sinnlichkeit finden - sondern die (möglichst bewusst) bewirkte Veränderung ihrer eigenen Lebensbedingungen kann nur in gegenständlicher Weise wirksam werden. Gegenständlich sind dabei Subjekte, wie auch Objekte der Tätigkeit, aber ganz wesentlich für die Betrachtung spezifisch menschlicher Tätigkeit sind die dafür erzeugten und eingesetzten Mittel.
Arbeit als Bedeutungswirbel
Benni
- Arbeit ist mehr als ein Begriff. Arbeit ist ein Bedeutungswirbel, der kreative Macht in instrumentelle Macht verwandelt.
Annette 2803
- Sind des nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, nämlich die kapitalistischen, die menschliche Tätigkeit (kreative Macht) in instrumentelle Macht verwandeln? Was macht es für einen Sinn, die "Arbeit" als Verursacherin dieser Entfremdung/Knechtung etc. darzustellen?
Arbeit im Spannungsfeld zwischen kreativer und instrumenteller Macht
Instrumentelle Macht und der Machbarkeitswahn des 20. Jahrhunderts
Benni
- Arbeit ist mehr als ein Begriff. Arbeit ist ein Bedeutungswirbel, der kreative Macht in instrumentelle Macht verwandelt.
HGG 2703
- Hmm, nun doch Uli Sigor? Denn diese Verwandlung kreativer in instrumentelle Macht - einmal eine Funktion schreiben, tausendmal aufrufen; think once, run everywhere - ist ja gerade die Form, in der sich "Arbeit selbst vermindert".
Benni 2703
- Mißverständis? Ich benutze "kreative" und "instrumentelle" Macht im Sinne von Holloway (potentia, podesdingens, oder so ...).
HGG 0404
- Dann verstehe ich das nicht. Du schaffst dir mittels deiner Kreativität ein Instrument, ein Mittel, das künftig "für dich arbeitet"? Das wäre aber genau Uli Sigors Gedanke, oder?
HGG 0404 an Franz
- Dass Uli Sigor das sehr viel detaillierter sieht, glaube ich gern. Und deine Bemerkungen zeigen nur, dass Uli Sigor sich auch über die "Natur" dieses Mittels Gedanken gemacht hat: instrumentelle Macht ist es insoweit, als es dem Zweck dient, für den es steht. Aber es ist ja auch Natur, und insofern "kollateralschadensfähig". Mit dem Instrument hat der Mensch nun ein Ding mehr, mit dem er sich "tätig auseinanderzusetzen" hat.
HGG 2703
- In den tausend instrumentellen Dingen, die das tägliche Leben angenehm machen, erfährt jeder Mensch auch SINNLICH, welche Kraft der menschliche Geist entfalten kann. Aber lies Bulgakow oder Sostschenko und schau dir die ganze ox-Debatte zwischen mir und El Casi an. (Quelle: Seit Anfang des Jahres unter dem Subject "Noch mal zur Freien Gesellschaft" auf http://www.oekonux.de/liste/archive/index.html) Dort wird thematisiert, dass es eine sehr gefährliche Sache ist, wenn Menschen diese "Macht" nur mit Verstand und nicht auch mit Vernunft gebrauchen. "Der Machbarkeitswahn der 'grandiosen Siege der Menschheit über die Natur' beginnt jedoch zu verfliegen. ..." Verweis auf These 3 - 5 in [Graebe-ccthesen]. Ein Arbeitsbegriff, der DAS nicht mitdenken kann, greift für mich zu kurz, weil er auf der Ebene der Weltsicht von Goethes Zauberlehrling verharrt und nicht berücksichtigt, dass wir (wenigstens) wie der Meister denken müssen.
Arbeit im Spannungsfeld zwischen Sich-selbst-Produzieren und Etwas-für-andere-Tun
Benni
- <zitat>Arbeit hat zwei Achsen. Eine soziale und eine kulturelle. Auf der sozialen Achse wird Arbeit gebildet durch ihre zwei Gegensätze: Durch den psychologischen Gegensatz zur Selbstentfaltung und den ökonomischen Gegensatz zur Freizeit. Auf der kulturellen Achse wird Arbeit gebildet durch ein weiteres Paar von Gegensätzen: Den ästhetischen Gegensatz zur Muße und den ethischen Gegensatz zur Faulheit.</zitat>
HGG 2703
- Diese Gegensätze halte ich perspektivisch für obsolet, weil sie der Zeit entspringen, wo der Arbeiter "bei der Arbeit außer sich und außer der Arbeit bei sich" war und Begriffe wie "Muße" und "Faulheit" nur dazu dienen, den engen Begriff der produktiven Arbeit im Sinne des puritanischen Arbeitsethos zu verstärken oder sich gegen ihn abzugrenzen. BEIDES (der positiven und der negative Bezug darauf) führt dazu, DIESEN Arbeitsbegriff zu zementieren. Und mehr wollen die Aliens [Spehr-99] ja gar nicht.
Benni
- <zitat>Psychologisch gesehen ist Arbeit vor allem ein Etwas-für-jemanden-anderen-Tun. So lange ich "Mein Ding" mache, also meine Selbstenfaltung betreibe kann es in diesem psychologischen Sinn keine Arbeit sein.</zitat>
Annette 2803
- Wenn Du NUR "dein Ding" machst, als isolierter Einzelner, betreibst Du keine Selbstentfaltung in dem von uns gemeinten Sinne, sondern nur bürgerliche "Selbstverwirklichung". In einer unentfremdeten Gesellschaft, in der kein Individuum als isoliert von anderen gedacht werden kann, ist jedes "mein Ding" schon immer von vornherein auch ein gesellschaftliches. Dann kannst du eine "psychologische Sicht" auch endgültig niemals isoliert von einer gesellschaftlichen annehmen.
HGG 2703
- Ja, aber das hat etwas mit dem "zweiten zivilisatorischen Moment" des Markts zu tun, siehe [Graebe-mawi]:
<zitat>Und ein zweites zivilisatorisches Moment bringt dieser Markt mit sich: Er zwingt die am Markt agierenden Produzenten, sich - unter Androhung des Entzugs der eigenen Existenzgrundlage - für die Bedürfnisse anderer Produzenten zu interessieren, und legt so den Keim für ein neues WIR, das erst in einer wirklich Freien Gesellschaft zur vollen Entfaltung kommen wird. Er zwängt damit in einer jahrtausendelangen Entwicklung auch psychologisch ganz anders konstituierte, obrigkeits- und kommandogewohnte Individuen auf den Weg der Selbstfindung, der später - reflektiert - in die bewusste politische Gestaltung von Gesellschaft münden kann, in die "Produktion der Verkehrsformen selbst", ...</zitat>
In DIESEM Sinne ist ein solches psychologisches Moment sowohl notwendig als auch auf eine historische Etappe beschränkt. Irgendwann werden die Menschen (wieder) merken, dass es gar kein Widerspruch ist, etwas für sich oder etwas für andere zu tun, weil
<zitat>die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten sind nicht mehr Mittel zur Produktion von Reichtum, sondern der Reichtum selbst. ... Eine grundlegende Umkehr findet statt: Nicht der Mensch dient mehr der Produktionsentwicklung, sondern die Produktion dient der menschlichen Entwicklung, also dem Sich-selbst-produzieren. Der Unterschied zwischen produzieren und sich selbst produzieren bzw. an sich arbeiten verschwindet letztlich.</zitat>
Aus [Gorz-04, S. 69] - auch sonst in dem Zusammenhang sehr lesenswert.
Annette 2803
- Zur Spezifik im Kapitalismus heißt es dann noch spezifischer: <zitat>Die Verwirklichung der Arbeit erscheint in dem nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Vergegenständlichung als Verlust und Knechtschaft des Gegenstandes, die Aneignung als Entfremdung, als Entäußerung.</zitat> (ÖPM: MEW 40: 512) <zitat>Die Entäußrung des Arbeiters in seinem Produkt hat die Bedeutung, nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, zu einer äußern Existenz wird, sondern daß sie außer ihm, unabhängig, fremd von ihm existiert und eine selbständige Macht ihm gegenüber wird, daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehn hat, ihm feindlich und fremd gegenübertritt.</zitat> (ÖPM: MEW 40: 512)
Bezug zu Ansätzen der "Potsdamer Denkschrift" und den "Chemnitzer Thesen"
Benni
- <zitat>Arbeit entsteht erst im Bedeutungswirbel, der durch diese zwei Achsen aufgespannt wird. Jeder Gegensatz an sich bietet einen scheinbaren Ausweg aus der Arbeit, doch jeder dieser Auswege wird irgendwann durch einen der anderen Gegensätze eingeholt. Dieser Wirbel deckt tendenziell den gesamten menschlichen Tätigkeitsbereich ab. Dadurch, dass Arbeit im Herzen des Wirbels steht, bezieht sich alle Tätigkeit auf Arbeit. Jegliche menschliche Tätigkeit wird zu Arbeit gerade dadurch, daß Arbeit so viele Gegensätze hat.
Arbeit ist also nicht eine Tätigkeit, sondern das arbeitsförmig-werden jeglicher Tätigkeit.
Die kreative Macht der Multitude erhält durch Arbeit Ziel und Richtung. Doch es sind nicht ihr Ziel und ihre Richtung. So wird sie zur instrumentellen Macht.</zitat>
HGG 2703
- Es wirbelt - schön!! So lerne fliegen! Es scheint keinen Grund mehr zu geben, auf dem wir stehen können? Vielleicht war dieser "Grund" schon immer eine Fiktion? Vielleicht galt schon immer "panta rhei"? Genau DIESE Feststellung aus [PM-05], dass wir vor diesem "geistig-lebendigen Kosmos" ÜBERHAUPT keine Angst zu haben brauchen, weil wir eines seiner Kinder sind, halte ich für zentral. Allerdings nur dann, wenn wir uns zu dieser "Elternschaft" bekennen bzw. zu bekennen lernen - "learn to think in a new way".
Annette 2803
- Hoppla, wo kommt das jetzt her? Der "geistig-lebendige" Kosmos, oder die gütige Gaia, gehen mit ihren Kindern so um, dass sie im Evolutionsprozess 99% aller jemals existiert habenden biologischen Arten wieder aussterben ließen. Deswegen hab ich zwar noch lange keine Angst (ich habe mehr Angst vor der Selbstzerstörung durch die Menschen selbst), aber ich verstehe nicht, was das hier soll.
HGG 2703
- Doch spricht insbesondere aus deinen letzten Worten Angst vor diesem Wirbel. Angst, wenn es keine unmittelbar existenzielle ist, wie sie im Moment der Gefahr aufblitzt, ist ein probates Mittel des Über-Ichs, das Es in Schach zu halten. Hier fängt die psychoanalytische Dimension der Thematik an. In [Graebe-ccthesen] heißt es dazu: <zitat>Dabei nicht den Täuschungen des sechsten Sinnes zu erliegen, bedarf der Entfaltung einer primär aus der eigenen Lebenspraxis gespeisten kritischen Vernunft, die Es und Ich zu Lasten des Über-Ich einander wieder näher bringt und "sich den 'narzistischen Kränkungen' stellt, welche wissenschaftliche Forschungen seit Kepler und Kopernikus den menschlichen Subjekten zugefügt haben.</zitat>
Arbeit, Wert und Bewertung - Auflösung der Konflikthaftigkeit von con-currentem Tätigsein
Benni
- <zitat>Arbeit ist keine Tätigkeit, sondern die Bewertung oder das Aufsaugen einer Tätigkeit. Etwas ist dann Arbeit, wenn ich oder andere es psychologisch, anthropologisch, ökonomisch, ... als solche bewerten, messen. Der Wert ist das Wert-werden, also das Maß, ist das Messen der Welt, ist die Tendenz der Aufklärung auf der Suche nach einem allumfassenden totalen System. Die Totalität des Werts wäre das totale System der Aufklärung.</zitat>
HGG 2703
- In [Graebe-utopie] habe ich das (?) so formuliert:
<zitat>Tätigsein als Verändern der realen Welt ist notwendig con-current und damit konflikthaft, so dass für den Menschen als gesellschaftliches Wesen Freiräume zur Entscheidung nur zusammen mit Verantwortung für die Entscheidungen zu denken sind und Mechanismen des Ausgleichs erfordern, um Konflikte in Bereichen sich überlappender Interessen zu lösen.</zitat>
Arbeitsmöglichkeit als der Freiraum und "Wert" (natürlich nicht in der heutigen pubertären Form als abstraktes Zeitmaß, sondern als kommunikativ vermitteltes Sinnmaß) als Maß der Einlösung der übernommenen Verantwortung?
Benni 2703
- Wie sollte sowas messbar sein?
HGG 0404
- manuelle Prüfmethoden, peer reviewing, auditing, supervision, lessons learned fallen mit auf Anhieb ein. Jedenfalls hochgradig kommunikative Verfahren.
Benni
- <zitat>Der Wert geht also der Arbeit voran. Vielleicht war es das was uns die Krisis-Leute sagen wollten?
Umgekehrt geht aber auch die Arbeit dem Wert voran, weil selbstverständlich die in-Wert-Setzung der Welt nicht funktioniert ohne die Verwandlung menschlicher Tätigkeit in instrumentelle Macht.
Arbeit und Wert sind wie Henne und Ei.</zitat>
HGG 2703
- Die Henne-Ei-Problematik hat natürlich eine triviale Auflösung, wenn man prozesshaft herangeht, also noch eine Zeitachse hinzuzieht. Wenn ich das auf dein Bild übertrage, dann lande ich bei Bild des "gesellschaftlichen Tuns" als einem großen Petri-Netz, in dem die Zustände die Momente des Arbeitens und die Transitionen die Bewertungen sind, in denen alter Sinn mit neuem in Kontakt gebracht wird. Es könnte aber auch umgekehrt sein und die Zustände die Momente der Sinn-Synchronisation und die Transitionen die Momente des Arbeitens sind.
Ehrlich gesagt bin ich ziemlich überzeugt, dass es sogar noch komplizierter ist und wir heute dem ersten Bild folgen, "learn to think in a new way" aber bedeutet, nach dem zweiten Bild zu denken.
Benni 2703
- Auch hier wieder: Ich kann Dir leider nicht folgen (und das, obwohl ich weiss, was Petrinetze sind). Ich kann schon so halbwegs verstehen, was Du meinst, aber wenn ich das auf meinen Text zurückbeziehen soll, hörts auf.
HGG 0404
- War nur ein Reflex auf "Arbeit und Wert sind wie Henne und Ei". Wenn du es so wahrnimmst, dann wäre das gängige Schema der Auflösung der Henne-Ei-Problematik das erste, was ich versuchen würde. Und da kommt halt ein Petrinetz mit Zuständen und Übergängen raus, dem sich die Begriffe "Wert" und "Arbeit" ziemlich 1-1 zuordnen lassen. Aber eben auf zwei Weisen (Arbeit=Zustand, Wert=Transition oder umgekehrt Arbeit=Transition, Wert=Zustand). Darüber habe ich (in aller Kürze) reflektiert.
Arbeit und Eigentum
Benni
- immaterielle Arbeit ...
HGG 2703
- Hier ist m.E. vor allem zu beachten, dass Eigentums- und Güterbegriff nicht mehr greifen, weil es nicht so sehr um Wissen, sondern vor allem um die "Wissenden" geht. Hatten wir vor knapp einem Jahr ausführlich auf ox debattiert, will ich hier (erst mal) nicht wiederholen.
Arbeit, Lohnarbeit und Prekarisierung
Benni
- Lohnarbeit und Prekarisierung ...
HGG 2703
- Prekarisierung, weil - Lohnarbeit ist am Ende. Diese "letzte Bastion autoritativer Kommandostrukturen" wird gerade geschleift, habe ich in [Graebe-utopie] noch einmal versucht zu begründen.
Benni
- <zitat>Am stärksten weht der Wind am Rande des Auges in der eye wall. Das ist der Bereich in dem darum gekämpft wird, welche Arbeit Lohnarbeit ist und welche nicht. Das ist der Bereich der Prekarisierung. Wo Menschen hin- und hergewirbelt werden ohne jeden Halt. Wo selbst gemauerte Häuser nicht mehr sicher sind.</zitat>
HGG 2703
- So ist es, aber dort passieren derzeit die wirklich spannenden Dinge. Dort kannst du fliegen lernen, aber auch jämmerlich abstürzen. Ist natürlich in Wirklichkeit keine Dichotomie, denn wer leben will, der MUSS fliegen lernen. Das ist KEIN neoliberaler Satz, sondern Ausdrucks meines Verständnisses vom "Prinzip Hoffnung", das davon ausgeht, dass (fast) jede(r) fliegen KANN und nur DIESE Gesellschaft sie/ihn daran hindert.
Regionale Lebens- und Entwicklungsbedingungen vs. globale Arbeitsteilung
Aufhänger war folgende Formulierung in der Ankündigung des Workshops
- All diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie stark auf die Verbindung lokal und regional gebundener Stoffkreisläufe mit global verfügbaren Wissensressourcen zu einem nachhaltigen regionalen Entwicklungskonzept orientieren, das sich deutlich von neoliberaler Standortrhetorik absetzt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Entwicklung eines regional verfügbaren Erfahrungs- und Wissenspools zu, aus dem heraus Teilhabe am Leben und Gestalten der regionalen Lebens- und Entwicklungsbedingungen erwächst.
Wolf 1004
- wie komme ich, wenn ich mich bei meiner teilhabe an regionalen lebens- und entwicklungsbedingungen unter verbindung lokal und regional gebundener stoffkreislaeufe mit global verfuegbaren wissensressourcen an einer tasse kaffee laben moechte, zu derselben?!
HGG 1004
- Ja, das wäre die Frage. Ob wir dir (resp. du dir) das aus- und die Vorzüge einer regional produzierten Apfelschorle einreden(resp. -st) oder wir auch weiterhin auch mit Kaffee Welthandel betreiben. Vielleicht können ja die Kaffeebauern in Nicaragua auch was Sinnvolleres mit ihrer Landfläche anfangen als uns Kaffee anzubauen.
War halt nur mal so eine Idee von mir ...
Wolf 1004
- Nee! Nicht wieder Kathreiner!
Annette 1104
- Bitte nicht! Es wäre wirklich ein Verlust an Lebensqualität. Klar ist natürlich, dass Kaffee dann wieder wirklich was ganz Besonderes wird und wir, die ihn möchten, werden uns schon was einfallen lassen müssen, wie wir ihn bekommen. Aber da wird uns schon was einfallen. Auf jeden Fall kann es nicht die Lösung sein, alles, was uns jetzt zu kompliziert vorauszubedenken ist, einfach nicht zuzulassen als Bedürfnis, weil es ja jetzt auf kapitalistische Weise befriedigt wird...
Wolf 1004
- Nach Hans-Gerts text sind die stoffkreislaeufe "lokal und regional gebunden". Da kommt nicht die bohne in die tasse, mag ich mich noch so sehr mit "global verfuegbaren wissensressourcen" verbinden.
Bei mir findest du: "Trotz Unabhängigkeit und Isoliertheit der Arbeiten bleibt die Produktion jedes einzelnen abhängig von der Produktion aller andern." Das "aller andern" hab ich jetzt hervorgehoben, denn diese sind nicht auf eine region beschraenkt. Ebenso wenig die produktion.
Man hat mit einer banalen tasse kaffee den weltmarkt in der hand.
Noch eine auf Marx fussende, von mir getroffene formulierung: "Die Tätigkeiten aller einzelnen bilden den Weltmarkt, der sich gegenüber dem einzelnen mit der Fortentwicklung des Tauschwerts und seiner Geldverhältnisse verselbständigt hat. Die Konsumierenden und Produzierenden werden unabhängiger und gleichgültiger zueinander, während Produktion und Konsumtion zusammenhängender und abhängiger werden."
Noch ein Marx' wort:
"Die Entfremdung in der Warenproduktion einerseits und der gesellschaftliche Zusammenhang andererseits bilden einen Widerspruch." (Alle zitate aus http://coforum.de/index.php4?702)
HGG 1204
- Na ja, du hast sicher das Augenzwinkern bemerkt. Mal in aller Kürze und ernsthaft - das wäre in Hütten sicher wert weiter diskutiert zu werden:
(1) Kaffee ist ein schlechtes, aber sehr wirksames Beispiel für Erfordernisse globaler Kooperation auch auf der Ebene der materiellen Prozesse. Weil man bei Kaffee eben das entgegenhalten kann, was ich entgegegngehalten habe.
(2) Du willst natürlich über zweiteres reden. Meine Position dazu: Ja, brauchen wir (und wir wären blöd, wenn wir diesen kulturell erreichten Faktor aus der Hand gäben), aber gerade da erwarte ich einen sehr radikalen Umbau im Sinne des Zurückdrängens "von oben diktierter" Formen. Statt Koop. von oben nach unten zu bauen (wie du es im Hegelschen Staatsverständnis noch par excellence findest) muss sie von unten nach oben gebaut werden. Und das braucht zuerst mal selbstbewusste "regionale lebens- und entwicklungsbedingungen" als Bausteine.
So viel kurz und knapp dazu. Mehr in meinem Paper "Virtuelle Macht und reale Gegenmächte".
Wolf 1804
- Ich muss jetzt doch zugespitzt nachfragen: Wie gross soll so'ne region sein? Ist Kraehwinkel zu klein und Leipzig zu gross, um einfach mal 2 beispiele zu nennen? Oder wie grenzt sich'ne region von 'ner andern, 'ner benachbarten ab, durch'n bannwald vielleicht? Oder waere jede menge eines systems offener, die erdoberflaeche im sinne Hausdorffs ueberdeckender mengen eine region, was bedeuten wuerde, dass auch die vereinigung zweier regionen wieder eine region waere?
Mich verbluefft, dass eine region, die ich mit einem stueck land identifiziere, ein selbstbewusstsein zu haben scheinen vermag.
Das "erst auf der basis..." deute ich als ein zeitliches nacheinander: zuerst werden die regionen selbstbewusst (was immer das sein mag), danach ergaenzen sich die potenzen sinnvoll. Das heisst, solange die regionen nicht selbstbewusst sind, gibt es keine sinvollen ergaenzungen, das heisst, solange muesste man in einer region, in der es z.b. kein kupfererz gibt, auf kupferhaltige produkte verzichten, da das andere noch nicht sinnvoll ist.
Sorry, wenn ichs zu doll zugespitzt hab, aber nur so kann ich sichtbar machen, was mir an den formulierungen nicht behagt.
HGG 2404
- die Frage, die du hier aufwirfst, ist die nach der globalen Strukturiertheit einer Freien Gesellschaft. Ich bringe es mal auf diesen griffigen Terminus, über den sich sicher ebenfalls trefflich streiten lässt.
Deiner Frage, wie denn Regionen abgrenzen in einer "global interdependenten Welt", halte ich entgegen, dass gerade im Nachhaltigkeitsdiskurs der Begriff "regionale Kreisläufe" eine zentrale Rolle spielt. Über die Schwierigkeiten, diese beiden Diskurse zusammenzubringen, hatten wir anderenorts schon debattiert. Ich halte deinem - damit in keiner Weise entkräfteten - Argument also entgegen, dass AUCH Regionen und regionale Strukturiertheit irgendwo eine wichtige Rolle spielt.
Besonders Franz misst der gezielten Entwicklung dieser REGIONALEN Handlungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle bei. In meinem glob-Paper habe ich versucht, das auch aus einem globalen Standpunkt her abzuleiten. So dass ich in meiner kleinen Ergänzung der Ankündigung eigentlich nur den Spannungsbogen zwischen deinen Argumenten und diesen Überlegungen eingefangen habe.
Die Substanz bleibt weiter zu diskutieren und du rennst da bei mir offene Türen ein. Allerdings halte ich deinem "Bannwald" entgegen, dass eine regionale Strukturierung längs administrativer Grenzen bereits existiert und es genau diese Grenzen sind, innerhalb derer politische Prozesse (in Nuancen) unterschiedlich laufen. Regionen gibt es also bereits und auch ein "Bewusstsein", wenn man mal die lokalen politischen und administrativen Prozesse als so was betrachtet. Sie fußen ja auf "kooperativen Vernunftformen" wie dem "Willensbildungsprozess" im Stadtparlament und auch außerparlamentarischen Aktivitäten.
Und schließlich halte ich Grenzen für ein zentrales Strukturierungselement überhaupt, das du überall in der Natur findest. Es grenzt ein "Innen" von einem "Außen" ab und bringt so überhaupt Struktur in die Welt. Auf gesellschaftlichem Gebiet haben die Grenzen was mit Gestaltungsmöglichkeiten zu tun, der Art, wie die Konflikte con-currenten Handelns ausgetragen werden.
Der Eigentumsbegriff spielte dabei historisch-kulturell nach meinem Verständnis übrigens eine GANZ wichtige Rolle im Spannungsfeld zwischen Gestaltungsanspruch, Ressourcenzugriff und Verantwortlichkeit.
Und eine letzte Bemerkung: Grenzen sind immer FUNKTIONAL und DURCHLÄSSIG; sie VERMITTELN zwischen dem Innen und dem Außen. Insofern muss beim Begriff der Region die kausal-funktionale Strukturiertheit gegenüber der rein räumlichen (worauf du den Begriff in deiner Antwort reduziert hattest) stärker betont werden. Aber das hatte ich im glob-Paper ausführlich besprochen. Auch, dass das, was uns als "Globalisierung" verkauft wird, zwar räumlich global sein mag, aber nicht global im Sinne von allumfassend ist, sondern eben einer kausalen Strukturiertheit folgt.