Diese Seite soll Klarheit zum Begriff Bedürfnis schaffen.

Gebrauch des Begriff in verschiedenen Bereichen

Alltagssprache: In der Alltagssprache ist ein Bedürfnis so etwas wie ein dringender Wunsch, zum diesem aber nicht klar abgegrenzt. Beispiele: Schlaf, ein gutes Essen, Liebe, mehr Zeit. Auch bildlich verwendet wie in "...es ist mir ein Bedürfnis ... zu danken".

Wirtschaft: Es wird eine begriffliche Kette: Wunsch => Bedürfnis => Bedarf => Nachfrage gebildet, wobei primär solche Bedürfnisse interessant sind, die sich wirtschaftlich befriedigen lassen. Da natürliche Bedürfnisse begrenzt sind, ist es wirtschaftlich interessant, Bedürfnisse zu wecken, etwa durch Werbung oder Medienevents (wie im Sport).

Psychologie: Verwendet einerseits für körperliche Grundbedürfnisse, wie Essen, Trinken, Schlaf. Andererseits für allgemeine menschliche Bedürfnisse wie Sicherheit, soziale Anerkennung.

Gesellschaft: Verwendung begrifflich nicht klar. In der Praxis definieren Rechte, Pflichten und Institutionen anerkannte Bedürfnisse. So steht dem Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf entsprechende Bestimmungen (Ruhestörung, Sperrstunden, ...) gegenüber. Dem Bedürfnis nach Sicherheit soll die Polizei entsprechen. Dem Bedürfnis der Gesundheit kann ein öffentliches Gesundheitssystem gegenüberstehen (andererseits Gesundheits- und Umweltstandards). Das Grundbedürfnis (des Individuums, der Gesellschaft, der Wirtschaft) nach einem handlungsfähigen Individuum entsprechen abgestufte und großteils kostenfreie Bildungsinstitutionen (Schule mit Schulpflicht) etc. Im Grunde könnte man die Gesellschaft als einen einzigen fortwährenden Verhandlungsprozess um die Anerkennung allgemeiner und wechselseitiger Bedürfnisse (etwa aktuell die Absicherung homosexueller Partnerschaften) auffassen. Verschiedene Gesellschaften gehen ganz unterschiedlich mit Bedürfnissen um, fühlen sich für sie zuständig oder nicht, haben einen Konsens auf verschiedenem Niveau oder nicht.

Links zum Thema "Bedürfnis"

Links zum Thema "Bedürfnisorientierte Wirtschaft"

Arbeitsbereich

HelmutLeitner: Andernorts ist im Zusammenhang mit Oekonux von einer bedürfnisorientierten Wirtschaft die Rede. Ich behaupte, dass das kein sachlicher, sondern ein emotionaler Begriff ist, dass er also in der Praxis nicht brauchbar, weil nicht anwendbar ist. Vielleicht ist meine Meinung aber auch falsch. Was also ist ein Bedürfnis? An Hand welcher Kriterien oder mit welcher Methode entscheidet man, ob etwas ein Bedürfnis ist, oder nicht?

Wirtschaft ist ein gemeinschaftlicher Prozess. Wenn da der Begriff Bedürfnis eingebaut wird, dann muss er Grundlage von Entscheidungen sein können. Bedürfnisse tausender Menschen stehen nebeneinander und gegeneinander. In der Marktwirtschaft ist das kein Problem, weil jeder über seine Bedrüfnisbefriedigung autonom an Hand der eigenen finanziellen Möglichkeiten entscheidet, mit den bekannten Nachteilen, aber - es gibt kein Entscheidungsproblem. In einer nicht-marktwirtschaftlichen oder bedürfnisorientierten Wirtschaft entsteht ein schwieriges Entscheidungsproblem. Der eine wünscht ein Klavier, du eine größere Wohnung, der Dritte einen Porsche und 100 Millionen Chinesen hätten gerne einen Fernseher. Was soll produziert werden? Welche Wünsche werden als Bedürfnisse anerkannt? -- HelmutLeitner 2006-03-19 20:00:10

HelmutLeitner: Franz, imho müsstest du faiererweise dazu sagen, dass du dich auf rein idealistischen, moralischem, metaphysischem Boden bewegst, mit allenfalls minimalsten Anhaltspunkten, wie sich so ein System denken, beschreiben oder realisieren lässt. "Subjekt der Wirtschaft" ist so eine mythologische Sprachfigur. Wer bei uns Geld hat, ist so ein Subjekt, befriedigt seine Bedürfnisse, gestaltet seine Räume, dirigiert seine und anderer Energie, macht andere zu Objekten seiner Vorstellungen. Der Arme, Ungebildete ist hilfloses Objekt dieser Kräfte. "Den Menschen" zum "Subjekt der Wirtschaft" zu machen bedeutet nichts anderes, als "allgemeiner Wohlstand" in dem die Menschen in überwiegender Mehrheit genug wirtschaftliche Reserven habe, um keinen Zwängen (durch andere Menschen, Organisationen, Systeme) ausgeliefert zu sein. Eine konsensfähige Zielformulierung in jeder Gesellschaft.

HelmutLeitner: Es ist eine ideologische Setzung, dass dies in einem Markt/Geld-Rahmen grundsätzlich unmöglich ist. Fruchtbarer als "bedürfnisorientierte Wirtschaft" scheint mir der Begriff einer "bedürfnisorientierten Gesellschaft" oder einer "bedürfnisorientierten Demokratie", vor allem weil es Ansätze der Bedürfnisorientierung bei uns ja tatsächlich im Bereich des Bildungs-Wesens und Gesundheits-Wesens gibt. Ideologischerweise können diese Ansätze aber von euch offenbar nicht wahrgenommen und theoretisch entwickelt werden.

HelmutLeitner: Das ist eine Frage der analytischen Blickrichtung. Wenn du alles dem Interesse einer Fundamentalkritik unserer Gesellschaft unterordnest, wirst du auch nur das Negative Sehen. Wenn ich die Welt durch die "Brille Bedürfnisbegriff" und "Brille Wirtschaft" anschaue, dann sehe ich in der Schule z. B. eine Bedürfnis "Grundbildung Lesen/Schreiben/Rechnen/Allgemeinbildung" als Wirtschafts-Objekt (um den Waren/Güter-begriff zu vermeiden) allgemein gratis verfügbar gemacht. Ähnliches besteht in der Grundversorgung des Krankenversicherungswesens. In anderen Ländern sind das entweder Bereiche, für die die Gesellschaft keinen Bedürfniskonsens besitzt oder ganz oder teilweise der privatwirtschaftlichen Nutzung/Ausbeutung überlassen wird. In der USA sind die Bereiche Bildung und Gesundheit ein großes Problem für jeden einzelnen Bürger. -- Die unendlich vielfältigen Marktwirtschaftsformen, Demokratieformen, Staatsformen und Rechtsformen alle in einen gedanklichen Mistkübel zu werfen und zu negieren, sogar in positiven Details theoretisch als "Kapitalismus" zu nivellieren ... ist geistig-theoretischer Selbstmord.

Ich möchte im Moment, angesicht der vielen angerissenen Themen nur versuchen, nicht den Faden zu verlieren. Wenn es ein Bedürfnis gibt, über Kapitalismus und seine Charakteristika zu reden, dann sollten wir das tun, genauso vielleicht kritisch über die Gesellschaft und ihr Schulsystem. Was ist aber mit den Bedürfnissen: Wer sagt, dass was Kinder lernen wollen (Benni) ein Bedürfnis darstellt? Wer entscheidet, ob mein Wunsch nach einem Porsche oder einer dicken Zigarre ein Bedürfnis ist? Oder ob der Bubenwunsch nach "beim Turnen nur Fußball spielen" als Bedürfnis ausschlaggebend ist? -- HelmutLeitner 2006-03-21 14:03:09

Ich kann dir nicht zustimmen. Wir reden über den Begriff Bedürfnis im Rahmen von Wirtschaftstheorie. Stichwort "bedürfnisorientierte Wirtschaft". Da ist eine subjektive Begriffverwendung nicht möglich. Und dass deine Aussage über den "Zweck des Kapitalismus" nur im eingeschränkten Kontext "Bedürfnis" Sinn macht, kann doch nicht dein Ernst sein - damit würdest du deinen eigenen Aussagen außerhalb dieser Seite jede Bedeutung absprechen.

Bedürfnis (last edited 2006-03-22 18:47:11 by StefanMerten)

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