Jetzt deponier ich auch hier mal einen ausbaufähigen Gedanken FranzNahrada April 2006

Ausgangspunkt könnte folgendes Zitat sein.

Stelle dein Leben in den Dienst einer 'größeren Sache', werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen woll(t)en! Eine solche Haltung ist nicht nur ethisch vernünftig, sondern auch das beste Rezept für eine sinnerfüllte Existenz. Es scheint so, dass Altruisten die cleveren Egoisten sind, da die größte Erfüllung unseres Eigennutzes in seiner Ausdehnung auf Andere liegt. Wenn du dich selber als Kraft im 'Wärmestrom der menschlichen Geschichte' verorten kannst, wird dich das glücklicher machen, als es jeder erdenkliche Besitz könnte. Du wirst intuitiv spüren, dass du nicht umsonst lebst und auch nicht umsonst gelebt haben wirst!

http://www.gratis-wiki.com/convergence/index.php?title=Ausgangsposition:_Originaltext

Dieses Zitat klingt moralisch, kriegt aber durch Selbstenfaltung und Freie Modi einen plausiblen Inhalt. Interessant wie sich dieser Inhalt dadurch aber auch in traditionellen Termini kommunizieren läßt.


Helmut: nur ein paar (philosophische) Gedanken dazu.

Vorteilsdenken wird bei uns tabuisiert, obwohl natürlich die meisten Menschen vorwiegend das tun, was für sie von Vorteil scheint. Der Egoismus ist allgegenwärtig und offensichtlich, wird aber gleichzeitig tabuisiert, so dass imho eine unangenehme Athmosphäre der Doppelmoral entsteht.

Dagegen scheint z. B. in der indianischen CircleOfWisdom Philosophie, die Perspektive des eigenen Vorteils als eine von acht Grundperspektiven viel natürlicher verankert (siehe http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?Medizinrad/Workspace , Süd/rot/3. Reihe).

Mein Ogden-Experiement wiederum (siehe http://www.usemod.com/cgi-bin/mb.pl?TheOgdenExperiment), dessen Ergebnis in einer prototypischen bottom-up-Ontologie besteht, hat überhaupt ergeben, dass man Definition einiger Grundbegriffe der Sprache den Begriff "Vorteil" braucht, so dass es sich dabei wahrscheinlich um einen Grundbegriff handelt (vermutlich gibt es nur ca. 50-100 Grundbegriffe, aus denen sich komplette natürliche Sprachen definitorisch aufbauen lassen).

Thomas: Eine Diskussion um Vorteile, Egoismus und Altruismus führt leicht in die Irre. Jeder Mensch handelt doch immer zu seinem subjektiven Vorteil. IMHO geht es mehr um Wahrnehmung. Nimmt sich jemand als Teil des Ganzen wahr, dann ist eine Verletzung des Ganzen eine eigene Verletzung. Sieht sich jemand als Gegner seiner Umgebung, dann ist eine Verletzung der Umgebung sein Vorteil. Die Umgebung als gegnerische ist IMHO eine Grunderfahrung in unserer Kultur. Wie nun daraus aussteigen ?

Helmut: Die These "jeder handelt zu seinem subjektiven Vorteil" ist nicht sinnvoll und wahrscheinlich auch nicht richtig. Sie ist nicht sinnvoll (wie bei Bedürfnis) weil eine solche Begriffsverwendung keine Unterscheidung ermöglicht. Sie ist nicht richtig, weil man dann auch den verzweifelten Selbstmord als ein Handeln zum subjektiven Vorteil interpretieren müsste. Das heißt: Vorteil kann immer nur objektiver, greifbarer, materialieller Vorteil bedeuten, damit der Begriff brauchbar ist. Jemand der für eine Katastrophe Geld spendet, handelt meist nicht zum eigenen Vorteil (weil er sich dann als besserer Mensch fühlt oder glaubt in den Himmel zu kommen), sondern aus Solidarität, Mitleid oder Pflichtgefühl zum eigenen Nachteil (dem Sinken des Bankkontospiegels).

Thomas: Helmut, hast Du versucht zu spüren, was ich sagen wollte ? Deine Begriffsbestimmungen konstruieren den Menschen IMHO als rational kurzsichtige materielle Optimierungsmaschine, die manchmal halt nicht optimal läuft. Einige Experten, die die Zusammenhänge besser verstehen, können dann nach ihren Schemata reparieren. IMHO macht es keinen Sinn, so überhaupt zu diskutieren, weil die Wahrnehmung dann bereits so zugerichtet ist, das mir wesentliche nicht sehen zu können. Das wirst Du wahrscheinlich umgekehrt auch so sehen.

Was anderes zum Odgen-Experiment: Um Rationalität abbilden zu können muss doch zumindestens die simple Mathematik in einer Sprache ausgedrückt werden können. Ich habe nicht verstanden, wie Zahl, Summe, Produkt, Differenz (um nur einige zu nennen) definiert wird. Kannst gerne auf einen Ort verweisen, wo so eine Diskussion besser aufgehoben ist.

: Vielleicht http://www.wikiservice.at/dict/sm/wiki.cgi?SemanticDictionary/Diskussion ?

Helmut: Thomas, entschuldige, wenn ich etwas gesagt habe, was dich ärgert. Zunächst wollte ich in die Diskussion über Egoismus und Altruismus nur den Begriff "Vorteil" einführen und ihn in seiner Brauchbarkeit als Werkzeug verteidigen. Ich sehe, ganz im Gegenteil, den Menschen nicht als rationale Maschine, sondern als freies Wesen, das viele Möglichkeiten hat, zu handeln: eben egoistisch (zu seinem persönlichen Vorteil) oder altruistisch (zum Vorteil eines anderen - z. B. aus Freundschaft, Liebe, Gemeinschaftsgefühl, Mitleid, Solidarität oder philosophisch/religiöser Überzeugung, Verantwortung für die Nachwelt oder ganzheitlichem Denken heraus). Ich glaube nicht, dass wir inhaltlich weit voneinander entfernt sind. Vermutlich stößt dich nur mein Bestreben nach begrifflicher Schärfe ab: Das ist aber nicht entmenschlichender als ein Handwerker, der seinen Kasten mit Werkzeugen pflegt und alles scharf und in Ordnung hält. Ich hoffe, dass wir uns da nicht gleich zu Beginn zerkrachen.

Mit Wahrnehmung hat das meiner Meinung nach wenig zu tun. Die Wahrnehmung kann sein, dass sich jemand altruistisch für eine karitative Organisation einsetzt. Unsere Interpretationen sind dann scheinbar verschiedenen: Wenn ich dich richtig verstehe, würdest du sagen, dass sich der Helfenden mit den Hilfebedürftigen eins fühlt und daher keinen Unterschied zwischen sich und ihnen macht, daher zum Vorteil dieses Systems, mit dem er sich identifiert, handelt. Meine Meinung dazu wäre, dass das Eins-Fühlen eine Möglichkeit ist, dass es aber viele andere Motivationen auch geben kann und dass das Eins-Fühlen als Erklärung vielleicht als Modellvorstellung Nachteile hat, die aber im Moment gar nicht so wichtig zu diskutieren sind, weil das schon Details wären. Ich sehe also in der Wahrnehmung kein Problem und aus der Interpretation sollten wir kein Problem machen.

Was das Ogden-Experiment betrifft, möchte ich das nicht überbewertet sehen. Wir könnten es dort diskutieren, wenn es dich interessiert. Im Ergebnis deckt sich da einiges mit deinen Vorstellungen: die Begriffe von "Vorteil" und vor allem von "Gut" ergeben sich ausschließlich dann als brauchbar, wenn man sie im Zusammenhang mit einem Bezugssystem verwendet, d. h. es gibt kein schlechthin, allgemeines, absolutes "Gut", sondern nur viele Interpretation von "Gut" in Bezug auf die Person, die Familie, die Gemeinschaft, die Gesellschaft, die Firma, etc. die letztlich als Abstraktionen des Begriffs "Vorteil" erscheinen. D. h. es scheint angenehmer zu sagen "etwas ist schlechthin gut" während sich dahinter eigentlich ein "es ist von Vorteil für mein System X" verbirgt. Da ich weiß, dass du der Schule kritisch gegenüberstehst, ein Beispiel der Anwendung: Wenn jemand sagt "es ist gut in die Schule zu gehen" dann würde aus dieser Begriffslogik sofort folgen "Für wen ist es gut, also von Vorteil? Für die Gesellschaft? Für die Familie? Für den Einzelnen? Ist das so, oder welche Alternativen gibt es?" so dass ein unmittelbares kritisches Argumentationspotential entsteht. Ob ich die Vorteile einer solchen Begrifflogik vermitteln kann, die als Denkalternative zu sehen ist, weil wir die Freiheit haben unsere Sprache zu prägen, ist eine andere Sache. Wenn dir das unsympathisch ist, akzeptiere ich das selbstverständlich. Wir sollten nur zumindest versuchen, durch die Mißverständnisse durchzudringen um unsere gegenseitigen Positionen und Motivationen zu verstehen.

Ich kenne und bewundere deine positive konkrete Arbeit im Alternativen Bereich, das was du real machst. Ich weiß nicht, auf welche Weltanschauung du gründest und welche Begriffwelten damit verbunden sind. Es würde mich aber sehr interessieren.

EgoismusUndAltruismus (last edited 2006-04-05 07:12:25 by HelmutLeitner)

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