Unterseiten:
Protokoll des Workshops "Der Begriff der 'Arbeit' bei Holzkamp", angeboten von StefanMz, Samstag 9:00Uhr
Klaus Holzkamp: Kritik an der Psychologie
ab 1968
- 1. Forderung: Zerschlag die Psychologie,
2. konstruktive Kritik, eine Richtung: Kritische Psychologie: paradigmatischer Anspruch, kritisch zur bestehenden Psychologie, Anspruch: begriffliche Voraussetzung, um Wissenschaft Psychologie machen zu können
- Hauptwerk: Grundlegung der Psychologie (1983)
- Begriffsfestlegung: funktional-historische Kategorialanalyse - siehe: Vier Theorieebenen:
- Einzeltheoretische Ebene
- Kategoriale Ebene (hier ist Kritische Psychologie angesiedelt)
- Gesellschaftstheoretische Ebene
- Philosophische Ebene
- Begriffsfestlegung: funktional-historische Kategorialanalyse - siehe: Vier Theorieebenen:
- Gliederung des Buches: historisch den realen Herausbildungsprozess
des Psychischen begrifflich rekonstruieren. Isomorphie: Begriffe entsprechen dem realen Entwicklungsprozess, siehe Bild:
- Verallgemeinerung: Methodischer Fünfschritt - als Konkretisierung von Erkenntnissen zur Entwicklung ("qualitativer Sprung" in der Dialektik, Annette)
(Holzkamp: für Naturgeschichte, StefanMz: auch für menschliche Geschichte)
1.-5. entsprechend Papier von StefanMz, S. 2.
- Keimformen im Punkt 3 - werden besonders interessant in Krisensituationen (siehe 2.)
- Jeweils die Frage: "Was sind die Widersprüche, damit die
Keimformen... sich durchsetzen konnten?"
Jetzt kommen wir zum Arbeitsbegriff
- Wenn man verstehen will, wie etwas ist, muss man verstehen, wie etwas geworden ist.
<Bemerkung der Tipperin: Aber auch umgekehrt: "Die Anatomie des Menschen ist der Schlüssel der Anatomie des Affen" - das Frühere erschließt sich erst aus dem Späteren>
Von Werkzeugherstellung zur Arbeit - im 3. Schritt: Tier-Mensch-Übergangsfeld
- Wie kommt es zur sozialen Werkzeugherstellung?
- auch Tiere benutzen Werkzeuge und richten sie zu - was ist das
Spezifische bei Menschen?
Das Entscheidende (qualitativer Übergang): Verhältnis von Mittel und Zweck kehrt sich um. Mittel nicht nur für unmittelbaren Gebrauch (erst Zweck, dann Mittel) für sondern für verallgemeinerten Zweck hergestellt (erst Mittel, dann Zweck). -> Bedeutung und Erfahrung sind im Mittel vergegenständlicht, kann weiter gegeben werden, außerbiologische Erfahrungskumulation,
-> neue Qualität der Sozialstruktur: Vorsorge
- biologische Evolutionsfaktoren (Mutation, Selektion etc.) sind
nicht mehr entwicklungsbestimmend
- Wie konnte sich das herausbilden, dass frühere Evolution nicht
mehr wirkt: In das Genom schreibt sich etwas ein, dass das Genom später nicht mehr das Wesentliche ist.
- Möglichkeiten für die neuen Entwicklungsmechanismen wurden im
Genom festgehalten (vgl. StefanMz's Papier S. 3)
- aktive Veränderung der Umwelt ("Aneignung/Vergegenständlichung"
als früheste Ausformung von "Arbeit"
- Arbeit = gebrauchswertschaffende Umgestaltung von Lebensbedingungen
- andere Begriffe: "gesellschaftliche Lebensgewinnung": Umgestaltung
menschlicher Lebensbedingungen: das unterscheidet die "Gesellschaft" (der Menschen) vom "Sozialen" (der Tiere)
-> Die (auch biologische) Natur des Menschen besteht darin, dass er sich vergesellschaftet (nicht nur "sozial" ist, wie auch Tiere)
- Dominanzwechsel: wenn nur noch gesellschaftlicher
Lebensgewinnungsprozess bestimmend und der biologische Veränderungsprozess allein durch seine dagegen relative Langsamkeit unerheblich wird.
- historisch: Übergang von Okkupationswirtschaft zur Produktionswirtschaft <d.h. Sammler und Jäger sind noch Vormenschen, Annette>
Verhältnis von Arbeit und Handlung (Papier von StefanMz S.3f.)
- diese vergegenständlichten Bedeutungen mussten auch kommuniziert werden -> Sprache, Symbole etc. - gesamtgesellschaftlicher Verweisungszusammenhang der verschiedenen Bedeutungen
- Verweisungszusammenhang nicht nur auf unmittelbare Kontakte bezogen, sondern gesamtgesellschaftlich
- widerspiegelt, was notwendigerweise in der Gesellschaft getan
werden muss, damit die Gesellschaft funktioniert
- Arbeit: gesellschaftstheoretische Kategorie (siehe oben die vier
Theorieebenen!) des objektiv-ökonomischen Aspekts der Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens
- Handlung: psychischer Aspekt gesellschaftlicher Arbeit in Bezug
aufs Individuum
- Für den Einzelnen sind gesellschaftliche Handlungsnotwendigkeiten
nur dem Individuum gegebene Handlungsmöglichkeiten
Es geht nicht um Arbeit, sondern um Handlungsfähigkeit!
- Zitat aus Holzkamp 1983: 243 (Papier von StefanMz Abschluß)
Soweit entsprechend Holzkamp. Nun zu einigen Punkten aktueller Diskussion
- Krisis: "Arbeit" - Ist Arbeit das, was Gesamtzusammenhang ausmacht?
- Holzkamp: es gibt noch anderes, nämlich Handlung. "Arbeit
repräsentiert eher die Notwendigkeit, wie die Gesellschaft diese Notwendigkeiten erfüllt, ist eher Thema von "Handlung"
Koreferat Hans-Gert Gräbe
- in belebter Natur haben Organismen Einfluss auf Umfeld, strukturieren es um. "haben Einfluss, ihre Lebensbedingungen zu stabilisieren" (referiert u.a. auf Dawkins)
- aber es ist doch nicht intensional!
- Frage: die Entwicklung ist nur ein Steigen des Wassers der
Stabilisierung der eigenen Lebensbedingungen
- Umkehrung Mittel - Zweck verstehe ich unter diesem Aspekt nicht.
- der einzige Unterschied zu Tieren (inwiefern bei den Menschen das
Wasser noch höher steigt): die Mittelnutzung gesellschaftlich
- nächste Abstraktionsstufe: es ist auch sinnvoll, diese Erfahrung
weiter zu geben
- neu: es geht nicht mehr nur darum, ein nur instrumentelles
Verhältnis zur Natur zu haben, sondern zu begreifen, dass wir selbst Teil der Natur sind
-> Handlungsfähigkeit nicht innerhalb der menschlichen Gattung, sondern innerhalb der Gesamtnatur (dann ist ökologische Dimension mit drin)
<wurde nicht weiter diskutiert - Bemerkung der Tipperin: Auch bei Holzkamp ist "Mittel" von vornherein eher nicht instrumentell gemeint!!!>
- Stefano: 5 Schritt: Dialektik von Kontinuität - Diskontinuiät -
bei Hans-Gert nur kontinuierlich
- das hat Konsequenzen für das Verständnis des Verhältnisses
Mensch-Natur (wie Mensch in Natur ist und das nur-Natürliche überschreitet, oder eben dann doch nicht) <der alte Streit zwischen Schelling und Hegel..., Annette >
Nachfragen
- Welche Handlungen würden dazu gehören?: Holzkamp spricht weiter vom verallgemeinerten Nutzer/Produzenten - bezieht sich auf gesamtgesellschaftliche Notwendigkeiten, aber nicht nur in Bezug auf Produktion. (was für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang wichtig ist; Beteiligung am gesellschaftlichen Prozess, umfassend, nicht nur Produktion)
- Handlungsfähigkeit ist ein Selbstzweck, ist meine Voraussetzung,
um mich entscheiden zu können... auch nicht dran teilhaben ist eine Möglichkeit der Handlungsfähigkeit
- ist "Handlungsfähigkeit" konkret oder abstrakt?
- abstrakt insofern, als "Fähigkeit" noch offen lässt, was der einzelne (das einzelne gesellschaftliche Individuum) dann macht...
- konkret insofern, als jede/r natürlich dann konkret irgend etwas
machen wird... <formuliert von Annette>
- StefanMz: "Notwendigkeiten" sind formationsspezifisch, es gibt
Mechanismen, die dazu führen, die Leute dazu bringen, dementsprechend zu handeln...
- Hans-Gert: Es kommt darauf an, die Verhältnisse als von Menschen
gemachte zu entlarven...
UliW: Zwei Arbeitsbegriffe bei Marx ((1) und (2))
- Menschen haben von Anfang an gesellschaftliche Natur - aber in welcher Form sie dem Menschen entgegentritt, gibt es zwei grundlegende Unterschiede: Reich der Notwendigkeit und Reich der Freiheit
- Reich der Notwendigkeit: der Einzelne ist festgelegt (auf Job...),
gebunden...
- Reich der Freiheit: wenn Mensch seine gesellschaftliche Natur zum
Gegenstand seiner gesellschaftlichen Aktion macht - Selbstbetätigung
Arbeit (versus/und?) Selbstbetätigung der (gesellschaftlichen) Individuen
- (1) In bisherigen Revolutionen wurde Art der Arbeit unangetastet... (Deutsche Ideologie, MEW 3. S. 68): Aufhebung der Arbeit, Verwandlung der Arbeit in Selbstbetätigung
(2) "Arbeit als solche" - Arbeit als ewige Naturbedingung, nur Form ändert sich, Arbeit = zweckmäßig produktive Tätigkeit (Kritik des Gothaer Programms)
- bisher vertrat ich (UliW) (2), jetzt sehe ich, dass es Sinn macht,
den Bruch zu charakterisieren.
Wenn Wert wegkommt, bleibt dann Gebrauchswert? -> aus problematischen kapitalistischen Produktionsweisen und ihren Produkten werden nützliche Gegenstände (Lenin: 1918 tayloristische Methoden hochgelobt) - Arbeit behält die gleiche Form;
- gemeinsames Singen
von "Was sollen auch jetzt alle Sorgen, wenn früh die Sirene erklingt..."
- gemeinsames Singen
- Erfahrung des Sozialismus: nur Eigentumswechsel reicht nicht aus!
- -> weder Form geändert (zumindest nicht Aufhebung der Wertform), noch die "Substanz" in Frage gestellt...
-> keine individuelle Wahlmöglichkeit/Handlungsfähigkeit...
-> Arbeit ODER Selbstbetätigung (als ganz andere Form mit anderer Substanz)
-> anderer Begriff von Gesellschaft ("erst dann, wenn alle Quellen des gesellschaftlichen Reichtums frei fließen..., vor allem wissenschaftlich-künstlerische Betätigung, die selbst erstes Lebensbedürfnis sein kann")
- Kühnheit zu denken, auch Stahlwerk oder Krankenhaus kann
funktionieren wie Freie Software (durch Selbstbetätigung statt Arbeit)
Verbindung zu Holzkamp (* s.u.)
- Holzkamp bezieht das aufs Allgemeine - muss nun noch bedacht werden, dass auch das nur stimmt, wenn das Reich der Freiheit erreicht ist: Im Reich der Notwendigkeiten ist Handlungsfähigkeit eine höchst beschränkte Sache...
- StefanMz: Handlungsfähigkeit nicht normativ lesen, was es in
konkreter Formation bedeutet, ist nicht festgelegt...
- Annette: Wichtig: das Problem der Handlungsfähigkeit muss noch mal
explizit diskutiert werden!!! Grundlegender Dissens:
Kritische Psychologie
UliW
Handlungsfähigkeit in jeder Gesellschaftsform: gerade auch im Kapitalismus
Handlungsfähigkeit nur im "Reich der Freiheit"
Weitere Diskussion
- StefanMz: nach F. Richter: zwei Arbeitsbegriffe (nur auf Naturstoffwechsel bezogen / gesellschaftlich) - <darum ging es aber hier nicht, es wurde von vornherein das Zweite vorausgesetzt, Annette>
- Hans-Gert: "Wert" wird's auf höherem Abstraktionsniveau wohl doch
noch geben, weil es ein Instrument ist...
- mathematisches Instrument, wir suchen danach, das, was heute läuft, besser und für uns adäquater zu machen;
- ist ein Selbstorganisationsphänomen: lokale Wirkmechanismen, die
dazu führen, dass sich globale Ordnungsstrukturen herausbilden...
- Gestaltungsansprüche beziehen sich aufeinander, müssen
miteinander kommunizieren...
- Was sagen wir nun statt "Arbeit"?
- "Selbstbetätigung" (UliF)
- "Leben und Gestalten" (Hans-Gert) (Sein und Tun), ("Gestalten":
die eigenen Bedingungen verbessern, wie die kleinen Organismen auch)
- Vorschlag Reiner: 5-Schritt für historische Entwicklung von
Arbeits- und Handlungsfähigkeitsformen
Zusammenfassung
Offene Fragen/ wesentlicher Dissens:
- Handlungsfähigkeit (UliW)
- Wertbegriff (Hans-Gert)
Vorschlag für neuen Workshop: Reiner (s.o.)
Vorschlag für zu weiteres zu klärendes Thema:
- Beziehen der zwei Arbeitsbegriffe auf Handlungsfähigkeit nach Holzkamp (z.B. im Sinne *)
Protokoll: Annette Schlemm, 1. Version, 8.7.06