Diskussion

Die Produktionsweise der Freien Software

Planwirtschafts-Modelle arbeiten mit der Annahme, dass die Produktion im Voraus geplant werden kann. Die Entwicklung von Linux war hingegen nur möglich, weil Linus Thorvalds die Idee einer zentralen Kontrolle über die Entwicklung des Linux-Kerns verworfen hat. Stattdessen gab es eine Vision und einen konkreten Anfang, der dann vielfältig dezentral weiterentwickelt wurde ("Selbstläufer"). Erst nachträglich wurden die dezentralen Aktivitäten gesichtet, eine Auswahl getroffen und diese zum Linux-System gebündelt. Die Einheit kann also nicht zentral vorgegeben werden, sie muss durch die Vielfalt hindurch entwickelt werden. Parallele Versuche, ähnliche Betriebssysteme aus einer stärkeren Einheit heraus zu entwickeln, hatten keinen besonderen Erfolg.

Interessant ist die Frage, ob und wie das dezentrale Entwicklungsmodell auf materielle Produktion übertragen werden kann (vgl. die Visionen der dezentralen Produktion z.B. mit automatischen Nähmaschinen und Fabbern). Die Einheit in der Vielfalt wird bei Linux durch Linus Thorvalds und friends als "gütige Diktatoren" hergestellt. Diese können aufgrund der dezentralen Struktur von Linux nicht beliebig schalten und walten, wie sie wollen: die Linux-Nutzer können über eine "Abstimmung mit den Füßen" Einfluss nehmen, z.B. durch Abspaltung eines neuen Linux-Zweigs, die aufgrund der "GNU public licence" (GPL) jederzeit möglich ist. Dies ist allerdings eine nur begrenzte Einflussmöglichkeit; andere Teams wie z.B. Debian-Linux haben wesentlich (basis)demokratischere Formen, mit (Ab)Wählbarkeit der Verantwortlichen.1 Eine Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum (die materielle Entsprechung der GPL) ist eben eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für demokratisches Wirtschaften. Demokratisches Wirtschaften steht und fällt mit der Weiterentwicklung von Fähigkeiten. Sie basiert eben nicht auf einem blinden Mechanismus, sondern auf einem hohen Niveau der Vermittlung von In­dividuum & Gesellschaft.

Siehe auch LINUX & CO. Freie Software – Ideen für eine andere Gesellschaft

Die Apache Software Foundation

Was wäre das Besondere an der ASF - im Vergleich zu anderen Freie-Software-Projekten?

Wie verbreitet ist Veto-Prinzip?

Ist das Veto-Prinzip verallgemeinerbar oder an (in) Sach-Fragen gebunden?

Die drei voran stehenden Fragen sind zwar zum Einstieg einzeln formuliert worden, in der Diskussion und deren Ergebnissen ließen sie sich aber nicht mehr sinnvoll auftrennen.

Angelpunkt für die Diskussion der drei Fragen waren die Stichworte Entscheidungsfindung und Entscheidungsprozesse.

In der Apache Software Foundation ist der Entscheidungsfindungsprozess durch Mitsprache auf Grund von Leistung gekennzeichnet. Beispielsweise fällt ein Entwickler im HTTPD-Projekt eine Entscheidung durch die Kraft des Faktischen mit dem Code, den er beiträgt. Jeder andere kann ein begründetes Veto einlegen. Gibt es kein Veto bleibt der Code Bestandteil der offiziellen Version bzw. Revision. Im Vergleich dazu ist der Entscheidungsfindungsprozess beim Linux-Kernel durch das Wohlwollen des Maintainers gekennzeichnet. Code der von einem Entwickler, einer Entwicklerin, beigetragen wird geht grundsätzlich in die Hände des Maintainers, Linus Torvalds. Dieser entscheidet (nach Sichten? und Testen) absolut, ob der betreffende Code Bestandteil der offiziellen Version bzw. Revision wird. Streitereien auf der Entwickler-Mailing-Liste sind das Mittel der Wahl, um dem Maintainer mitzuteilen, dass seine Entscheidung nicht so richtig weise und wohlwollend war. Die Mängel gegenüber entwickelter basis-% demokratischer Entscheidungsfindung sind offensichtlich und für Gesellschafts-Entwürfe nicht hinnehmbar.

Soweit ich, ToPu, auf, über die debian-powerpc und debian-news Mailing Listen vo n Entscheidungsfindungsprozessen im Debian-Projekt Kenntnis nehme, gibt es dort miteinander verzahnt das Prinzip des wohlwollenden Maintainers und das Veto-Prinzip (Stammkräfte, die Vertrauensvorschuss haben, vgl. folgende Absätze).

Mitsprache auf Grund von Leistung und das Veto - wo, wann beginnt Betroffenheit?

Ausgehend und entlang dieser Frage haben wir die Verallgemeinerbarkeit des Veto-Prinzips besprochen.

In der Bremer Commune werden zwei Ebenen der Mitsprache und Entscheidung gepflegt. Die eine Ebene ist die Stammkräfte-Ebene, die andere Ebene ist die Gesellschafts-Ebene (gesellschaftliche Ebene).

Stammkräfte, z. B. eine Software-Entwicklerin oder ein Computer-Administrator, arbeiten in ihrem Tätigkeits-Spezial-Gebiet mit einem Vertrauensvorschuss das richtige zu tun. Diesen Vertrauensvorschuss erhalten sie von der gesellschaftlichen Ebene. Die Kommunikation des Getanen und des Tuns der Stammkräfte zur gesellschaftlichen Basis erfolgt über die sogenannten Aktivierungen. Das Gesellschaftsmodell der Bremer Commune sieht nun die Möglichkeit eines Vetos der gesellschaftlichen Ebene (Basis) zu einer Entscheidung der Stammkräfte-Ebene vor, dadurch dass

Beide Veto-Möglichkeiten brauchen keine fachliche Begründung. Das Darstellen einer Betroffenheit der gesellschaftlichen Ebene durch die Tätigkeit und die fachliche Entscheidung der Stammkraft (Stammkräfte-Ebene) reicht aus.

Die Kristallisationspunkte für das, was auf Plebiszit-Ebene mit Wirkung für die Stammkräfte-Ebene entschieden werden muss, ergeben sich aus den sogenannten Aktivierungen sowie Jour Fixes.

Das gesamte Apache-Projekt (die ASF mit ihren Teilprojekten) ist wohl vollständig und nur der Stammkräfte-Ebene zu zu ordnen. Ob eine Entscheidung richtig war, zeigt sich am grundsätzlichen Funktionieren des Produkts. Durch Umwelt-Wirkung Betroffene sind bei Entscheidungsprozessen außen vor. Die gesellschaftliche Ebene fehlt.

Prominente historische Beispiele für Mitsprache und Entscheidungen auf Grund von fachspezifischer Leistung von "Stammkräften" (Experten-Runden), durch die die gesellschaftliche Ebene massiv betroffen ist, sind Kernkraftwerke und Verkehrswege-Baumaßnahmen, wie Fluss-Begradigungen, Auto-Bahnen usw. Die Einbindung der gesellschaftliche Basis in Entscheidungsfindungsprozesse war bzw. ist in bisherigen Gesellschaften nicht vorhanden, oder sehr unterentwickelt. Die Entscheidungsfindungsprozesse, die in Freien Software Projekten beobachtet werden können, spannen die gesellschaftliche Ebene ebenfalls nicht auf - ist in FS-Projekten auch nicht zwingend. Sie zeigen aber eine neue Qualität, wie auf Stammkräfte-Ebene entschieden werden kann.

Bietet diese neue Qualität Anknüpfungspunkte für Entscheidungsfindungsprozesse auf der gesellschaftlichen Ebene?

Welchen Modell-Charakter hat die Diskussions-Kultur und die erwähnte spezifische Qualität, die in Entscheidungsfindungsprozessen Freier Software Projekte entstanden sind, für die Neugestaltung gesellschaftlicher Entscheidungsfindungsprozesse?

Selbst auferlegte Vergrößerungs-, Ausweitungs-Begrenzung der ASF

"Warum zellteilt ihr, die ASF, die Apache-Projekte, euch nicht?".

Aufhänger für diese Frage ist folgender Satz im letzten Abschnitt des Artikels:

"Wegen des zu hohen Koordinationsaufwands lehnt die ASF Aufnahmeanträge weiterer Projekte in der Regel ab.

Für uns, die wir in selbstorganisierten Zusammenhängen und Projekten mit gesellschaftlichem Charakter arbeiten, ist dies Verhalten der ASF nicht so ganz zu verstehen. Unsere These: Wenn die Apache Software Foundation so groß geworden ist, dass in der einzelnen Organisationsstruktur, der einen \emph{Zelle}, nicht noch mehr Software-Entwicklungs-Projekte sinnvoll integriert, zusammen arbeiten können, aber weitere Projekte dazu kommen wollen, dann ist die Menge und die Qualität aller zur ASF dazu gehörenden und interessierter Projekt sehr wahrscheinlich groß genug für zwei \emph{Zellen}. Das soll heißen das bisherige Gebilde der ASF zu duplizieren und mit einem dritten der ursprünglichen ASF selbstähnlichen Gebilde verbinden. Wenn die ASF gesellschaftlichen Charakter hätte, wäre Zellteilung unabdingbar. Vielleicht will die Apache Software Foundation lieber ihre Nische pflegen?

Spannungsfeld Organisationsstruktur und Freiheit

Wie gelingt es, dass die Projekt-Beteiligten Organisations-Strukturen übernehmen, akzeptieren, nicht aber sich sklavisch gebunden fühlen?

Dies soll nochmal Thema für eine spätere Veranstaltung sein. Vielleicht ergänzend zu dem im ersten Halbjahr 2004 aufgeworfenen Diskussionspunkte: Selbstgeplante Globalgesellschaft, Demokratie. Bei der letzten Basistexte-Schreib-Arbeit-Aufteilung hatte ich das ehrgeizig zur Frage "Welche Demokratie gibt es in der Organisierung selbstentfalteter Arbeit? Zum Beispiel im Debian-Projekt" für mich gestellt.

Was sind "Memories of Understanding"?

Vereinbarung, Übereinkunft zum Umgang miteinander; in Erinnerung eines partnerschaftlichen Verstehens - oder so in etwa.

Wie finanziert sich das Projekt, wie je die EntwicklerIn

Zum Teil wird im Text darauf eingegangen: Projekt-Mitglieder (EntwicklerInnen) sind Mitarbeiter bei diversen Firmen, zum Teil bei großen wie IBM oder Sun Microsystems, oder bei kleineren, die Dienstleistungen mit der Software erbringen. Wofür die ASF, die Projekte Geld brauchen bleibt im Unklaren. Unsere Mutmaßungen durch vergleichen mit anderen, einigen von uns direkt bekannten Freien Projekten (etwa Oekonux) braucht es Geld für Infrastruktur, d.h. für Internet-Anbindung und hosting. Hierüber werden Quell-Text-Archive öffentlich gemacht, Mailing-Listen bereitgestellt, usw.


KategorieVeraltet

OXHB/freie Software-Bewegung (last edited 2005-07-31 18:41:25 by StefanMertenEdit)

Creative Commons License
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Lizenz (Details).
Alle Seiten sind geschützt bis du dich anmeldest