Diskussion

Was ist Kapitalismus?

Technologische Innovationen (Dampfmaschine, Webstuhl, ...) führten dazu, dass der Feudalismus mit seinem Feudalherren und leibeigenen Bauern, patriarchalen Handwerksbetrieben und Zünften, sich als Produktionsweise überholt hatte. Die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals konzentrierte derartig viel gesellschaftlichen Reichtum auf einen Punkt, dass eine neue Produktionsweise entstehen konnte: die Lohnarbeit in Manufakturen und Fabriken, das Kapital als sich selbstzwecklich vermehrender Reichtum. Der Konkurrenzkrieg zwischen den einzelnen Kapitalien um die besten Verwertungs- und Profitmöglichkeiten zwingt zu ständiger Innovation und führt zu Konzentrationsprozessen (die Großen fressen die Kleinen).

Der aus der Leibeigenschaft entlassene Arbeiter war im doppelten Sinne frei (Marx): frei vom Zwang des Feudalherren, aber auch frei von Produktionsmitteln, und daher gezwungen, seine Arbeitskraft zu verkaufen und seine Fähigkeiten zu entwickeln. Hohe Erwerbsarbeitslosigkeit senkt den Preis der Ware Arbeitskraft.

Das Kapital, ursprünglich von den Menschen geschaffen, hat sich zu einem abstrakten Subjekt verselbständigt, dass die Motive der Kapitalisten beherrscht. Kapitalisten, die zu freundlich zu ihren Mitarbeitern sind, werden auf lange Sicht niederkonkurriert, wenn sie sich nicht doch anpassen. Aufgrund des ständigen Innovations-Zwangs ist bereits Stillstand ein Konkurrenznachteil. Es gibt bestimmte Nischen (Handwerk, Taxiunternehmen), die noch nicht dem Trend zur Konzentration erlegen sind - aber er ist auch dort deutlich spürbar (z.B. gibt es einen großen Heizungsbaubetrieb in Bremen, der direkt mit dem Großhandel zusammenarbeitet und so die kleinen Betriebe in Schwierigkeiten bringt).

Auch die Lohnarbeitenden und Konsumenten handeln nach kapitalistischen Motiven: sie versuchen, einen möglichst hohen Lohn zu bekommen und möglichst billig einzukaufen. Aufgrund der Herrschaft des Kapitals über die Motive der Menschen ist eine grundsätzliche Alternative notwendig, um diesen Mechanismus zu knacken. D.h. Freiräume mit neuen gesellschaftlichen Grundstrukturen, in denen die Menschen sich selbst verändern, von ihren kapitalistischen Zurichtungen befreien und zukunftsfähiges gesellschaftliches Zusammenleben ausprobieren/erlernen können, in Wechselwirkung mit Aktionen/Widerstand gegen die Zumutungen des Kapitalismus.

Je mehr Freiräume wir besetzen, desto größer wird der Druck von außen werden, aber desto größeren Gegendruck können wir auch entfalten. Viele Menschen leiden unter den repressiven Bedingungen, ohne dass sie sich wehren. Wenn Menschen allerdings einen Freiraum sinnvoll besetzt haben und dieser in Frage gestellt wird, wehren sie sich erfahrungsgemäß (vgl. auch die Entstehung der freien Software-Bewegung, wo die zunächst allgemein frei verfügbare Software nach und nach kommerzialisiert wurde). Der Kapitalismus ist keinesfalls rein destruktiv: Der objektive historische Sinn der Marktwirtschaft ist die Anhäufung von gesellschaftlichem Reichtum, die ermöglicht, die Gesellschaft arbeitsteilig zu organisieren und Menschen von Reproduktionsarbeit freizustellen. Nur so konnte sich ein freier Erfindergeist entwickeln, der zu gesellschaftlichem Fortschritt führte (und damit wiederum zu noch größerem gesellschaftlichen Reichtum und zu mehr Tempo in der gesellschaftlichen Entwicklung). Heute schlägt diese Entwicklung jedoch mehr und mehr destruktiv um (AKWs, Rüstung, Werbung, Sollbruchstellen in technischen Geräten, Vernichtung von Lebensmitteln, um Preise stabil zu halten, abnehmende Konzentrationsfähigkeit durch Turob-Rhythmus). Es gilt also, an den Produktivkräften anzuknüpfen und die Destruktivkräfte zurückzudrängen, den Kapitalismus in eine neue Formation aufzuheben.

Die Sozialdemokratie versucht dagegen nur eine ethische Ummäntelung des Kapitalismus, ohne jedoch das Grundprinzip anzurühren.

Naomi Klein

"Ein (...) Besteller der Konsumismuskritik ist das Buch 'No Logo!' (München 2000, Bertelsmann, 480 Seiten, 48 Mark), in dem die kanadische Journalistin Naomi Klein die Marken als neue Bedrohung der Menschheit geißelt und die Unternehmen bezichtigt, die Kunden zu 'Sklaven der feudalen Markenherren' machen zu wollen. Kleins Vorwurf: Die Marken würden kulturellen Raum konsumieren, indem sie wie Nike komplette Sportveranstaltungen aufkauften. Außerdem behinderten Marken den Wettbewerb durch Exklusivklauseln mit ihren Händlern, zudem würde der teure Markenaufbau die Hersteller zum extrem billigen Produzieren zwingen, bis hin zur Kinderarbeit in Entwicklungsländern." (taz 28.07.2001)

Wachstumsdoktrin

Das kapitalistische Konkurrenzprinzip (s.o.) zwingt zu ständiger Innovation und Wachstum (vom Fernseher über Videorecorder und DVD-Player zum Multimedia-PC). Wirtschaftswachstum ist deshalb zum unhinterfragbaren Dogma geworden. Stillstand bedeutet Rückschritt. Erschöpft saß Alice am Boden. Sie war gerannt und gerannt und gerannt, aber irgendwie war sie trotzdem noch am Anfang. "Es hat sich ja überhaupt nichts verändert!" sagte sie. "Natürlich nicht!" antwortete die Königin. "Hier bei uns musst du so schnell laufen wie du kannst, um an der gleichen Stelle zu bleiben. Und wenn du woanders hin willst, dann musst du mindestens doppelt so schnell sein..." (Lewis Carroll: "Alice im Wunderland")

Geld & Spekulation

Geld ist ein universales Tauschmittel, das den Tausch entscheidend vereinfacht. Marx zufolge liegt die Entfremdung aber bereits im Akt des Tauschens selbst, genauer im Verlust der rohkommunistischen Solidargemeinschaft aufgrund der privaten Aneignung von gesellschaftlichem Mehrprodukt, das nur im Tausch wieder herausgegeben wird. In Mangelgesellschaften dient der Tausch der Verwaltung des Mangels, und der Effizienzsteigerung. Heute haben wir jedoch eine Überflussgesellschaft und damit die Möglichkeit der Rückkehr zur Solidargemeinschaft auf hohem Niveau. Das Geld hat seine produktive, effizienzsteigerende Funktion verloren: 98% der Geldströme sind rein spekulativ und nicht durch reale wirtschaftliche Vorgänge gedeckt. Dennoch kann das spekulative Kapital ganze Volkswirtschaften in den Ruin treiben. So wurde 1997 z.B. Asien als profitträchtiges Investitionsgebiet entdeckt, und als die Profite nicht die erhoffte Höhe erreichten, zog sich das Kapital wieder zurück und hinterließ massive Flurschäden.

IWF und Weltbank

In wie weit sind die Institutionen IWF und Weltbank in der Lage Finanzströme zu kontrollieren? Wir diskutieren Entstehung und Entwicklung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank und die Entwicklung ihrer Funktionen.

Ihre Gründung erfolgte nach dem 2.Weltkrieg mit dem sogenannten Bretton-Woods-Abkommen 194? und geht zurück auf die Wirtschafts- und Finanz-Krisen in den zwanziger und dreiziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Gründungszweck war wohl eine Weltfinanzordnung zu schaffen, die als "Gegenpol", als "dämpfende Regelung", zu Finanzmarkt-Spekulationen.

Soweit die heeren Ziele, mit denen IWF und Weltbank gegründet wurden. Die Entwicklung der Institutionen zeigt eine andere Zwecksetzung, andere Aufgaben auf. Wie auch im AWWO-Papier zitiert wurden IWF und Weltbank zu Machtinstrumenten, die Doktrin liberalisierter Märkte, Privatisierung und gesicherten Privateigentums durchzusetzen. Woraus im Rahmen von sogenannten Förder-Programmen für Kredit nehmende Länder die Aufgabe erwächst, den bestehenden Schuldendienst aufrecht zu halten und darauf zu achten, dass Gläubiger-Banken möglichst unbeschadet bleiben. Damit wird die Abhängigkeit des "armen Südens" vom "reichen Norden", der Macht und Entscheidungsgewalt in IWF und Weltbank hat, aufrecht erhalten.

Könnte es eine Reform geben, welche das bestehende Abhängigkeitsverhältnis abbaut? Eine Reformforderung zur Reorganisation des IWF sowie der Weltbank, z.B. mit dem Prinzip "ein Land, ene Stimme" wäre zu unterstützen. Jedoch warum sollten die, die Macht und die Entscheidungsgewalt jetzt haben, selbige aufgeben. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind die Institutionen IWF und Weltbank mit Sicherheit nicht reformierbar. Kann es eine objektive Betrachtung geben, nach der Weltbank und IWF ein Interesse haben an Reform, bei der Macht und Entscheidungsgewalt von wenigen auf alle Mitgliedsstaaten der Institutionen verteilt wird?

Statt auf den Reform-Willen der Institutionen zu hoffen, müssen wir Menschen uns Menschen begeistern Alternativen zu erschaffen. Nun ist es sehr schwer aus dem bestehenden System heraus zu treten. Das vollständige heraus treten ist ad hoc wohl auch unmöglich. Zunächst einmal müssen wir grundlegende Prinzipien des vorherrschenden Systems und Mechanismen, die die Prinzipien tragen, erkennen. Hierbei hilft es die geschichtsphilosophischen Betrachtungen zu studieren, welche Marx angestellt und niedergeschrieben hat. Die Erkenntnis daraus ist, dass der Mechanismus privater Aneignung für das aktuell bestehende System der kapitalistischen Marktwirtschaft zentral ist. Bleibt dieser Mechanismus, bleibt das System.


KategorieVeraltet

OxHB/Kapitalismus (last edited 2005-07-31 18:33:03 by StefanMertenEdit)

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