Definition
Diskussion
Das Buch verwendet vielfach den Begriff Mangelwirtschaft. Es ist unklar, was die Begriff bedeuten und im Rahmen einer kritisch-analytischen Beschäftigung mit dem Thema Wirtschaft bedeuten oder leisten soll.
Nach der WikiPedia ist Mangelwirtschaft ursprünglich ein Begriff der Propaganda des Westens gegen kommunistische Wirtschaftssysteme. Man hat ihnen sozusagen die Versorgungsunfähigkeit als Markenzeichen angeheftet. Einerseits ist das keine gute Basis für einen sachlichen Begriff, zweitens ist Mangel vermutlich schlecht zu definieren (haben wir derzeit im Feb06 einen "Mangel an Spargel"?, gibt es jemals einen "Mangel an Ferraris") und drittens wird keine Wirtschaft je das Ziel haben, Mangel zu zementieren oder durch Mangelsituationen charakterisiert zu sein.
- Danke für Deine messerscharfe Begriffsanalyse. Ja, so entstehen wohl unsere tagtäglichen Begriffe in Wissenschaft und Medien, aus ziemlich eindeutigen Erkenntnisinteressen..... Und die präzise zurückweisung solcher Konstrukte wie Du sie einforderst ist man normalerweise nur von kommunistischen Kopfmenschen gewöhnt, also gar nicht mehr - Aber: Wenn wir uns des aufgezeigten Mangels des Begriffs der Mangelwirtschaft bewußt sind aber zur Kenntnis nehmen daß er eben so in Tageszeitungen und wissenschaftlichen Journalen jahrzehntelang unwidersprochen verwendet wurde...warum müssen wir denn gerade hier so streng sein?? unten sagst Du ja eh was rationellerweise gemeint sein kann.... FranzNahrada
- Warum? In Zeiten hemmungslos konstruktivistischer Wirklichkeitserfindung aller Seiten (Ideologie, Propaganda, Werbung, Bedürfnisproduktion...) imho kann nur diese Schärfe Erkenntnisse ermöglichen. Andernfalls setzt derjenige sein Wirklichkeitsbild durch, der einen höheren Propaganda-Etat besitzt. Außerdem, vielleicht bin ich ja - ohne es zu wissen - ein kommunistischer Kopfmensch. Manche sagen mir nach, ich wäre Christ. Ich glaube manchmal, es wäre kein Unterschied. -- HelmutLeitner
Anmerkungen zur Diskursanalyse
Im Buch werden Formulierungen verwendet wie: "Die Marktwirtschaft ist keine Mangelwirtschaft und produziert doch Elend" an denen man die Problematik des Begriffes, bzw. der Begriffverwendung überhaupt, erkennen kann. Gemeint ist "Die Marktwirtschaft produziert einen großen Reichtum, ohne das Problem der Armut, also das Problem zwischen Arm und Reich, also zwischen Besitzenden und Besitzlosen, also zwischen Mächtigen und Schwachen, zu lösen".
Der Ausdruck "keine Mangelwirtschaft" dient dazu, einen möglichst negativen Ausdruck dafür zu finden, dass die MW im Prinzip ein erfolgreiches, funktionierendes und produktives System ist.
- Diese Aussage provoziert bei mir eine große Krise und starke Emotion; die Marktwirtschaft ist so erfolgreich, daß mindestens eine Milliarde Menschen im absoluten Elend leben, unser Planet beinahe draufgeht, und und und. Sie funktioniert - aber nach welchen Kriterien eigentlich? FranzNahrada
- Ganz einfach, nach dem Prinzip der egoistischen Machtausübung zugunsten eigener Interessen. Die wir verachten, von der wir aber teilweise auch Nutznießer sind. "Die Marktwirtschaft" gibt es natürlich ebenso wenig wie "die Demokratie". Die Marktwirtschaft in at/de/ch ist mit us nicht zu vergleichen. Die Demokratie in de/at ist mit der in ch, en oder us nicht in einen Topf zu werfen. Konkret zu "Kriterien des Funktionierens": man muss eine Maschine nicht mögen, um festzustellen, dass sie gutgeölt läuft. Man wird einen funktionsbereiten Panzer nicht verbal kaputtreden können. -- HelmutLeitner 2006-02-01 16:02:28
- Also funktioniert sie nach einem irrationalen Prinzip, wie auch immer. das wollt ich mal festhalten. "Funktionierend" ist bei weitem kein Kompliment an eine Sache. Franz
Marktwirtschaft als Begriff ist tatsächlich ideologisch; sie zeichnet sich dadurch aus daß "der Markt" so "reguliert" ist, daß oft eben ganz bewußt nur ein paar Oligopolisten übrigbleiben. Auch dieser Begriff kam nicht durch Alfred Fresin auf die Welt, sondern ist schon vor ihm da, und wird positiv besetzt vorgefunden. Und Leute wie Fernand Braudel, die den immanenten Gegensatz "marché" und "contre-marché" analysieren sind bei uns nicht populär. vgl. http://www.oekonux.de/liste/archive/msg06295.html Franz
Seit wann ist Egoismus irrational? Es gibt einen natürlichen Interessengegensatz zwischen Eigennutzen und Gemeinwohl, der in jedem sozialen System, Verein, Indianerstamm, Ehe, Familie oder Gesellschaft mitschwingt, ausgetragen und verhandelt werden muss. -hl
- Helmut, genau an diesem Punkt hab ich durch Begegnung mit indianischen Lehren die Relativität unserer elendiglichen Trennung und Entgegensetzung von Individuum und Gesellschaft voll erfahren. Was mich aufregt ist eher daß auch die Kritiker der Marktwirtschaft und der bürgerlichen Gesellschaft das unglaubliche Auseinanderklaffen von individueller und gesellschaftlicher Perspektive nicht thematisieren und problematisieren. Schon im Ansatz her wird bei den Indianern mit diesem "Gegensatz" komplett anders umgegangen als in den westlichen Kulturen. Erst bei ihnen konnte ich die Depression überwinden, in die mich die bewußtlose Reproduktion des isolierten "Subjekts" auch in "materialistischen" Gesellschaftsauffassungen gestürzt hatte. Franz
Der Text von Christian Eigner hat mich schon damals, als ich ihn bei Drucklegung zu lesen bekam, beeindruckt. Marktwirtschaft wird bei uns als Mythos behandelt, dem Dinge angedichtet werden und der gegen Kritik immunisiert wird. Auch Alfred mit seiner BVW baut mit an diesem Mythos, der vom einfachen Tausch bis zum Turboakpitalismus alles zu einem Phänomen, einem alles beherrschenden Riesendrachen, hochstilisiert. Und der erst dadurch unbesiegbar gemacht wird. -- HelmutLeitner
- Naja, vielleicht ist es aber auch so daß die Marktwirtschaft eben genau den "contre marché" aus sich heraus gebiert. Christian Eigner zeigt ja, an Wallerstein anschließend, daß es eigentlich die Allianz aus Politik und Geschäft ist, die von dieser Gesellschaft immer eingefordert wird und die ihre Separate Dynamik entwickjelt: eine Gewalt muß her, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, und diese Gewalt ist auch immer etwas anderes als die Leute gerne von ihr hätten. Oh, jetzt sind wir aber weit von der "Mangelwirtschaft" weg.
- Also funktioniert sie nach einem irrationalen Prinzip, wie auch immer. das wollt ich mal festhalten. "Funktionierend" ist bei weitem kein Kompliment an eine Sache. Franz
- Ganz einfach, nach dem Prinzip der egoistischen Machtausübung zugunsten eigener Interessen. Die wir verachten, von der wir aber teilweise auch Nutznießer sind. "Die Marktwirtschaft" gibt es natürlich ebenso wenig wie "die Demokratie". Die Marktwirtschaft in at/de/ch ist mit us nicht zu vergleichen. Die Demokratie in de/at ist mit der in ch, en oder us nicht in einen Topf zu werfen. Konkret zu "Kriterien des Funktionierens": man muss eine Maschine nicht mögen, um festzustellen, dass sie gutgeölt läuft. Man wird einen funktionsbereiten Panzer nicht verbal kaputtreden können. -- HelmutLeitner 2006-02-01 16:02:28
Der Ausdruck "produziert Elend" dient dazu, den grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen Haben und Nicht-Haben, zwischen den Mächtigen und den Schwachen - der zweifellos in jeder Gesellschaft oder Gemeinschaft eines Ausgleichs bedarf - rhetorisch in etwas zu verwandeln, das erst mit der Marktwirtschaft in die Welt kommt und daher mit der MW beseitigt werden könne.
- Dein "zweifellos" kann ich überhaupt nicht teilen. "Haben und Nicht Haben", "stark und schwach" sind doch durch die Gesellschaftsform gesetzte Realitäten. Also einerseits soll eine Gesellschaftsform eine bestimmte Differenz an den Menschen hervorbringen und dann rein gar nichts nichts damit zu tun haben, weil andere Gesellschaftsformen vielleicht eine andere Scheidung an den Menschen herbeiführen?? Franz
- Natürlich hat unsere Gesellschaftsform damit zu tun, wer arm oder reich, mächtig oder ohnmächtig ist. Jedoch ist jene Massengesellschaft nicht sichtbar, in der Kategorien des Wohlstandes oder der Mächtigkeit abgeschafft wären. Wenn gerade einem russischen Rekruten Beine und genitalien auf Grund grausamer Initiationsriten amputiert wurden, dann nicht aus einem wirtschaftlichen Problem heraus, sondern wegen fehlender Kontrolle jener Macht, die in jedem System existiert. In Kentucky zahlt gerade die katholische Kirche 85 Mio $ im Vergleichsweg an Missbrauchsopfer. -- HelmutLeitner
- Helmut, darf ich Dich an Deine eingangs geübte logische Stringenz ("Mangelwirtschaft") erinnern und hier auch von Dir einfordern, daß Du nicht etwas Fehlendes zum Grund einer Sache machst? ich erinnere mich vage, daß das Militär selbst eine grenzenlose Verdummungs- und Verrohungsanstalt genannt wurde von Leuten die entdeckt haben, daß der Mensch erstmals staatlicherseits zum Töten abgerichtet werden muß. fn
- Natürlich hat unsere Gesellschaftsform damit zu tun, wer arm oder reich, mächtig oder ohnmächtig ist. Jedoch ist jene Massengesellschaft nicht sichtbar, in der Kategorien des Wohlstandes oder der Mächtigkeit abgeschafft wären. Wenn gerade einem russischen Rekruten Beine und genitalien auf Grund grausamer Initiationsriten amputiert wurden, dann nicht aus einem wirtschaftlichen Problem heraus, sondern wegen fehlender Kontrolle jener Macht, die in jedem System existiert. In Kentucky zahlt gerade die katholische Kirche 85 Mio $ im Vergleichsweg an Missbrauchsopfer. -- HelmutLeitner
Der Begriff "Elend" dient offenbar dazu, den Begriff der Armut zu vermeiden. Durch diese schwammigere Formulierung wird einer Konkretisierungsmöglichkeit ausgewichen. Wenn man sagt, was Armut ist, könnte man ja Sozialsysteme entwickeln, welche eine Armut - wie immer man sie definiert - beseitigen. Der Reichtum dafür wäre in der Marktwirtschaft zweifellos vorhanden. Jedoch wäre eine Marktwirtschaft ohne Armut scheinbar kein akzeptables Ziel für den Autor. Also wird der Begriff "Elend" verwendet, der jede Interpretation offenlässt.
In dem einen Satz "Die Marktwirtschaft ist keine Mangelwirtschaft und produziert doch Elend" offenbart sich der ganze Glaubenscharakter der BVW, auf dessen Altar dann der Staat (als verdächtiger Träger von Macht) und der Tausch (als verdächtige Vorstufe von Marktmechanismen) mitgeopfert werden muss.
Daraus erklärt sich auch das mangelnde Interesse an einer funktionalen Analyse der Marktwirtschaft (was kann sie gut, was kann sie nicht, wie greifen die Mechanismen ineinander) und an das mangelnde Bemühen um eine funktionale Konstruktion der BVW (welche Komitees gibt es, wer setzt Komitees ein oder ab, wie funktionieren Entscheidungen in einem System mit tausenden Komitees, wie werden Interessenkonflikte zwischen Komitees gelöst, wer setzt die Entscheidungen wie durch, wie werden die positiven Leistungen der MW reproduziert, wie werden die negative Effekte der MW vermieden): Darum geht es angesichts einer Glaubensbotschaft nicht. -- HelmutLeitner 2006-02-01 09:15:44