Diskutierte Seite

Ich habe die Debatte mal etwas umsortiert, um Fäden deutlicher werden zu lassen. Verweis auch auf meine Kommentare zur WAK-Debatte -- HGG 2006-08-06

Und Upcase- sowie bold-Bemerkungen habe ich in kursive verwandelt (ersteres wegen des "Schreiens" - Hinweis von Stefan Meretz; letzteres, weil bold (nur?) bei mir in der Druckfassung nicht angezeigt wird.) -- HGG 2006-09-04

Und Kommentare, die sich dialogisch aufeinander beziehen, in eine Einrückebene gesetzt. -- HGG 2006-09-10

Und auf HGG/Grundlagen habe ich ein paar meiner empirischen und methodischen Ausgangspunkte versucht genauer darzustellen. -- HGG 2006-08-11

Was rechtfertigt den Begriff "Pubertät"?

".. denn es wird das alte (und wenigstens auf psychischer Ebene wohlfeile) Kommandoverhältnis auf der letzten der möglichen Stufen reproduziert, dem Verhältnis zwischen dem "freien" Unternehmer und den von ihm ausgebeuteten Arbeitskräften. Das mag auch Gründe im Stand der Produktivkräfte haben, zeigt aber, dass gegenüber vorkapitalistischen Verhältnissen nur noch ein kleiner Schritt zu einer wirklich freien Gesellschaft erforderlich ist: Diese letzte Bastion autoritativer Kommandostrukturen ist zu schleifen." Das ist das Hauptargument, mit dem ich begründe, dass der entscheidende Bruch in den Gesellschaftsformen ("Reich der Freiheit" - Engels) mit dem Kapitalismus gekommen ist und nicht erst mit dessen Ende. In dem Sinne sind wir Zeuge des Erwachsenwerdens einer Gesellschaft - auf einer etwa 2000-jährigen Zeitschiene gesehen. Eben "Pubertät" - was für den Jugendlichen so unendlich quälend erscheint und auch ist (einschließlich der suizidalen Option), das relativiert sich aus einer anderen Perspektive. Damit übersieht man m.E. viel weniger Keime als durch die Brille der klassischen Formationstheorie. -- HGG 2006-07-26

Ich denke, die Begrifflichkeit "pubertär" bringt mehr Probleme als Verständnis. Wenn ich etwas als "pubertär" bezeichne (schon im übertragenen Sinne), dann nehme ich an dass der so bezeichnete Zustand und der darauf Folgende durch den Übergang "Erwachsenwerden" verbunden ist. Dann sehe ich zwar durchaus so etwas wie Wandlung und Krise, aber keinen grundlegenden Qualitätsunterschied. Das, was sich pubertär wandelt, ist dieselbe Person. Was in der Gesellschaft gleich bleibt, ist beim Übergang vom Kapitalismus aber maximal die Gesellschaftlichkeit "als solche". Genau in der Gesellschaftsform, dem qualitativ Wesentlichen, erwarte ich aber nicht nur ein "Erwachsenwerden", sondern ein Aufhören und ein Neuwerden im Sinne eines grundlegenden qualitativen Bruchs. Dass wir vom Kapitalismus nicht alles verlieren werden, sondern grad die Frage der Produktivkräfte (soweit sie nicht längst zu Destruktivkräften pervertiert sind) immer aktuell ist, muss nicht mit so einer Bezeichnung wie "pubertär" erinnert werden... Letztlich haben wir doch viel bessere, tradierte Begriffe wie "Aufhebung" und so... -- (A.S.)

Allgemein scheint es mir, dass du viele "anspielungen" machst, ohne den herleitbaren zusammenhang wirklich herzuleiten. (In einem vortrag geht das manchmal nicht besser)
Die staerkste ist "kapitalismus als pubertierende freie gesellschaft". Als pointe ist das ein muntermacher, aber als ausgangspunkt einer ableitung erscheint mir das zu plakativ. -- (Wolf 2006-07-13)


Kapitalismus ... in irgendeiner .. Form auch positiv sehen?

Verstehe ich das richtig? Als grundsätzliche Kritik ("nicht verstanden") an dem hier protokollierten Arbeitskreis? Huetten06 und dieses Wiki sind ja beides Orte innerhalb eines links-theoretisch orientierten Diskursraumes, der an sich Ansprüche intellektueller Wissenschaftlichkeit stellt. Das Problem scheint nun zu sein, Kapitalismus als eine Entwicklungsstufe - und damit auch in irgendeiner wie immer abgeschwächten Form auch positiv - zu sehen. Um das zu verdecken, muss man zumindest zur Pauschalabwertung "pubertär" greifen. Das signalisiert Hilflosigkeit und Selbsttäuschung. -- HelmutLeitner 2006-07-26 07:48:37

Ich bin Leser, ihr wart Teilnehmer vor Ort, d. h. es ist an euch auf der übergeordneten Seite die wesentlichen Punkte zu vermitteln. Für mich geht es zunächst um Orientierung: "geht es um eine Form wissenschaftlicher Arbeit?" (und ich weiß ja, dass HGG Professor ist), dann müsste eigentlich "methodischer Zweifel" als konstruktives Element willkommen sein. -- HelmutLeitner

Eine analytische Absicht genügt mir, denn es geht mir um den Modus der Gesprächs, nicht um ein Bewerten. Modus bedeutet, dass ich in Details kritisch sein möchte, ohne dass dies als Gegnerschaft oder Nörgelei aufgefasst wird. Als Nicht-Marxist anerkenne ich den Idealismus und die sozialen Ziele, und teile vieles, ohne aber die Werkzeuge der Theorie zu schätzen. Es ist schwer für mich zu verstehen, dass es Bedeutung hat zu sagen "das Ende des Kapitalismus ist nahe" denn darin steckt entweder eine religiös-endzeitliche Botschaft (die mich beunruhigt, weil solche erfahrungsgemäß nie eintreffen) oder die Behauptung eines kybernetischen Systemverstehens, das eine Prognose zulässt, das ich aber nicht sehe. -- HelmutLeitner 2006-07-28 07:28:15

Ich fühle mich als der "autonome", der nur gelten lässt, wovon er sich selbst überzeugen kann und dem Autoritäten, sei es Koran, Bibel oder Marx zwar Geländemarkierungen, aber nicht Denkrichtungen geben. Deswegen wünsche ich mir, im Interesse aller, eine präzise, transparente Sprache und modulare Argumentationen. Große Gedankengebäude sind starre Gefängnisse und vertragen sich nicht mit der Autonomie. Freiheit scheint mir nach wie vor ein schwieriger und belasteter Begriff, der nicht geklärt ist. Deswegen sehe ich Probleme in seiner Verwendung: "freie gesellschaft" erscheint mir propagandistisch wie "strahlendweiße wäsche". Dagegen ist der Begriff "Autonomie", obwohl sicher verwandt, viel fassbarer. Es ist vorstellbar, dass man die wirtschaftliche Autonomie des Einzelnen bemessen kann (wie lange kann ich mir leisten, nicht zu arbeiten, in welchen Zwängen stecke ich) und auch eine gedankliche Autonomie sollte zumindest analytisch aufgliederbar sein. Auch Autonomie in Gesundheitsfragen oder autonome Lernfähigkeit wären interessante Bereiche. Analoges ist mit dem Begriff der Freiheit schwer denkbar. Vielleicht: Freiheit ist ein idealistischer Begriff des Systems, Autonomie ein realistischer Begriff des Systemelements. -- HelmutLeitner 2006-07-28 07:28:15

Autonome interagierende Agenten

Ein Grund für mich, das Gespräch zu suchen, war dass sich bei mir im GründerWiki auch der Begriff des autonomen Menschen gebildet hat. Ich hätte das gerne abgeglichen und mehr über die funktionale Einbettung des Begriffes hier gewusst. Falls es eben eine solche gibt und das Ganze hier nicht rituell gemeint ist (in dem Fall entschuldige ich mich für das Missverständnis). -- HelmutLeitner

Freie vor dem Kapitalismus

Auch die feudale gesellschaft hatte ihre freien: die handwerkermeister, die freien bauern, hofmeier, die freiherrn und der gesamte adel. Die konnten allesamt entscheidungen treffen, mehr oder weniger in allgemeine regeln eingebettet, z.b. zuenftische beschraenkungen der produktion. Der vater von Werner Siemens war verwalter eines freiherrlichen gutshofs. Die Roechlings waren, bevor sie stahl zu kochen begannen, hofmeier. Der kapitalismus hat zunaechst nicht unbedingt mehr "freie" hervorgebracht, sondern eher den raum freier betaetigung erweitert bis hin zum freien lohnarbeiter. (Kant war "Girondist", indem er meinte, dass keine politischen rechte haben solle, wer in eines andern diensten stehe.) -- (Wolf 2006-07-13)

Aufhebung der Warenform?

Das korngroessendilemma laesst nicht sichtbar werden, dass die entwicklung auf die aufhebung der warenform und des austauschs hinauslaeuft, was in meinen augen ein tiefgreifenderer umbruch als der uebergang von der feudalen zur kapitalistischen gesellschaft ist. Denn bei diesem umbruch wurde die warenform beibehalten und zu ihrer bislang hoechsten entwicklung gebracht. Die aufhebung der warenform stellt alles bislang dagewesene in den schatten. Oder etwa nicht? Erst bei aufhebung der warenform ist die freiheit aller realisiert. -- (Wolf 2006-07-13)

Das wort "dingliche logik(en)" laesst nur muehsam den begriff erkennen, den es traegt oder tragen soll. Es waere an verallgemeinerbaren beispielen zu erlaeutern. -- (Wolf 2006-07-13)

Arbeitsteilung und die Rolle von Kompetenz

Jeder Mensch als einzigartiger wissensexperte - das ist sehr suggestiv. Deine erlaeuterung, dass es bei nur 10 wissenselementen schon 2 hoch 10 verschiedene kombinationen des wissens gebe, ist auch suggestiv. Jedoch: bei nur etwa 35 wissenselementen gibt es mehr kombinationen als menschen, das hiesse, dass der menschheit ganz schnell die experten ausgingen. -- (Wolf 2006-07-13)

Erfahrungen und wissen sind vermittelbar, weitergebbar, erwerbbar, nachfragbar. Wie verlaeuft das konkret, eingebettet in die gesellschaftliche produktion und reproduktion? Ohne dies sichtbar zu machen, fuehrt dein argument meines erachtens auf eine art "kollektiven solipsismus", der dann notwendig auf arbeitsteilung angewiesen waere. Marx und Engels (z.b. Anti-Duehring) kritisieren es scharf, wenn sozialismus mit arbeitsteilung angedacht wird. -- (Wolf 2006-07-13)

Keine arbeitsteilung heisst nicht, dass alle das gleiche machen, sondern das sie die unterschiedlichen arbeiten, die zu einem gesamtergebnis fuehren sollen, verabreden. Freiheit besteht auch darin, sich von einer expertise zu verabschieden und etwas ganz anderes ohne absturz anfangen zu koennen. -- (Wolf 2006-07-13)

Verbindungen zum Anarchismus

Ein Grund für mich, das Gespräch zu suchen, war dass sich bei mir im GründerWiki auch der Begriff des autonomen Menschen gebildet hat. Ich vermute, dass viele, die sich selbst als "anarchisch" verstehen, im Grunde Prototypen des "autonomen" sind, ihnen jedoch ein entsprechendes Wertesystem fehlt (statt danach zu suchen, wird es im "anarchischen" konserviert). -- HelmutLeitner

Wolf Göhring in Hütten und Stefan Matteikat auf [ox-de] (21.7.06) hatten auf solche Verbindungen auch schon hingewiesen: "... ganz wichtig fand ich folgenden Einwurf von Wolf: die Anarchisten hätten sich im Kern als Vollender der uneingelösten Versprechen der französischen Revolution verstanden - erst kürzlich stellte ich fest, daß die Formel "Freiheit ist Voraussetzung und Resultat", die ich bisher als Verballhornung gewisser Theorieelemente von Marx verstanden hatte, auf Bakunin zurückgeht, die "Keimformkriterien" also offenbar krypto-anarchistische Elemente enthalten." -- HGG 2006-07-27

Sonstiges

Helmut, Stefan, ihr seid ja feine Gesellen. Von Unterstützung ist nichts zu spüren. Was sollen den Meta-Theorien über Worte oder noch besser über den Verfasser helfen, wenn das Ganze bzw das wesentliche in einem Text nicht begriffen bzw kommuniziert ist ? -- ThomasKalka

Huetten06/Protokolle/KapitalismusAlsPubertaereForm/Talk (last edited 2006-09-14 08:05:20 by HGG)

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