Die BVW prägt eine Drei-Klassengesellschaft aus, die sich zunächst nur im Zuteilungssystem ausdrückt, sich aber vermutlich in in alle Bereiche des gesellschaftlichen Alltags und des Selbstverständnisses der Menschen fortsetzen wird.
- Oops! Ich habe das Buch natürlich nicht gelesen, aber wenn ich diese Seite hier lese, sehe ich auch keinen Grund mehr dafür. Offenbar geht es hier nur um eine Verwaltung um Mangel. Mangelbasierte Systeme haben wir in zwei großen Varianten gehabt (sog. Realsozialismus und Kapitalismus) und beide haben so heftige Schwächen, dass sie überwunden gehören. (Noch) ein Reißbrettmodell für die Mangelverwaltung hilft da überhaupt nicht. Es kann in einer Nach-Geld-Gesellschaft vielmehr nur um eine Abschaffung des Mangels gehen. Die Grundlagen dafür hat uns der Kapitalismus - dankenswerterweise - ja bereits zur Verfügung gestellt. -- StefanMertenEdit 2005-12-26 17:16:09
- Na ja, das mit der Klassengesellschaft habe ich so provokant-kritisch formuliert. Wahrscheinlich werden der Autor und Franz dem widersprechen. Tatsache jedoch ist, dass für Nicht-Arbeitende (nur) eine Grundversorgung vorgesehen ist, die nicht alle Güter enthält. Sie haben also nicht den selben Lebensstandard. -- HelmutLeitner
Nachfolgende Diskusion verschoben nach "Diskussion"
Die Abschaffung von Mangel scheint mir nur bei Informationsgütern möglich, bei realen Qualitäts-Gütern (Konzertkarten, Hotelzimmern, Ersatz-Nieren, Villen in schöner Lage, Studienplätzen an besten Instituten, 50-jährigem Cognac, Zugang zu Massenmedien zur besten Sendezeit, Stradivari-Geigen, ...) wird es immer Mangel geben. -- HelmutLeitner
- Auch bei Informationsgütern ist es erst seit ein paar Jahren so, dass praktisch kein Mangel mehr existieren muss. Wir haben es hier also mit einer technologischen Entwicklung zu tun, die die Begrenztheit von Informationsgütern praktisch aufgehoben hat.
Grundsätzlich halte ich eine ähnliche Entwicklung auch auf materiellem Gebiet für möglich und der Kapitalismus eilt dort ja mit Riesenschritten voran - Stichwort: Automatisierung.
Die Beispiele, die du aufzählst, müssten einzeln beleuchtet werden. In manchen Fällen würde ich dir sogar recht geben, aber es ist auch immer die Frage nach dem konkreten Gebrauchswert zu stellen. So würde ich z.B. denken, dass das Bedürfnis nach Stradivari-Geigen jenseits ihres Tauschwerts für den allergrößten Teil der Menschheit für ebenso wenig vorhanden halten wie bei mir. M.a.W.: Wir müssen uns die Bedürfnisstruktur ansehen und die ist eben auch sehr stark gesellschaftlich überformt, so dass hier Änderungen durchaus möglich sind. -- StefanMertenEdit 2005-12-30 19:57:06
- Auch bei Informationsgütern ist es erst seit ein paar Jahren so, dass praktisch kein Mangel mehr existieren muss. Wir haben es hier also mit einer technologischen Entwicklung zu tun, die die Begrenztheit von Informationsgütern praktisch aufgehoben hat.
- Na ja, das mit der Klassengesellschaft habe ich so provokant-kritisch formuliert. Wahrscheinlich werden der Autor und Franz dem widersprechen. Tatsache jedoch ist, dass für Nicht-Arbeitende (nur) eine Grundversorgung vorgesehen ist, die nicht alle Güter enthält. Sie haben also nicht den selben Lebensstandard. -- HelmutLeitner
Die Sonderversorgung
Steht den überdurchschnittlich arbeitenden zu. Das Buch spricht von einem speziellen Güterangebot, das auch über eigene Lagerhäuser der Sonderversorgung, die nur den Berechtigten offen stehen, verteilt wird.
Die Allgemeinversorgung
Steht der Mehrheit der Bevölkerung, die eine durchschnittliche Arbeitsleistung (Zeit, Erschwernisfaktor) erbringt, offen.
Die Grundversorgung
Die Grundversorgung bekommt jeder, auch wenn er nicht arbeitet. Die definiert eine Klasse von Menschen, die nicht arbeiten können (Behinderte, Alte? Kranke?) oder wollen (Genügsame, Aussteiger der BVW).
Güter
Wenn von Versorgung und Gütern die Rede ist, sind nicht nur Waren gemeint, sondern auch die Krankenversorgung, Zugang zu Restaurants, Eintritte zu Veranstaltungen usw.
Diskussion / Arbeitsleistung und Versorgungsqualität
Empfindest du das nicht als gerecht und notwendig [dass Leute, die mehr arbeiten besser versorgt werden (wie in der MW und der BVW)]? -- HelmutLeitner
Wahrscheinlich denke ich einfach in ganz anderen Bahnen. Wenn du von "gerecht" sprichst, dann meinst du im Prinzip, dass wer nicht arbeitet auch nicht essen soll. Arbeit wird hier mit Leiden gleichgesetzt und es ist eben dann gerecht, wenn diese Leiden durch etwas ausgeglichen wird - in diesem Fall eben ein höheres Konsumniveau. Das stimmt so weit auch in allen arbeitsbasierten Gesellschaftsformen. (Arbeit ist hier eine Chiffre im Wesentlichen für entfremdete Tätigkeit.)
Ich gehe dagegen von der grundsätzlich anderen Überlegung aus, dass (gesellschaftlich) (nützliche) Tätigkeit eben auch aus Selbstentfaltung heraus getan werden kann - die Freie Software bietet hier ein hervorragendes Beispiel. Wenn (gesellschaftlich)(nützliche) Tätigkeit aber Selbstentfaltung ist, dann ist sie eben kein Leiden mehr und damit muss auch nichts mehr kompensiert werden - letztlich fällt das ganze Problem der Gerechtigkeit mindestens an dieser Stelle damit einfach weg.
Das ist für mich eine dialektische Aufhebung der ganzen Problematik auf einer höheren Stufe. Und ich würde nach der Oekonux-Erfahrung sagen, dass jede Gesellschaftstheorie, die diese Aufhebung nicht hinkriegt, nicht mehr zeitgemäß ist. -- StefanMertenEdit 2005-12-30 19:57:06
Stefan, das mit dem "wer arbeitet soll auch nicht essen" ist eine polemische Überzeichnung. Mir liegt eine solche Haltung - ich weiß nicht, wie du mich siehst - völlig fern. Die BVW will eine Grundversorgung für jeden und sagt im Prinzip: "wer nicht arbeitet soll keinen Kaviar essen und nicht in einer Luxuswohnung leben". Meine Frage war - ganz unabhängig von meiner persönlichen Vorstellung von einem fairen Gesellschaftssystem - an dich im Verhältnis zur BVW gerichtet.
Was das übrige betrifft, erscheint mir vieles verständlich, manches illusionär. Ich bin auch Softwareentwickler, habe auch Spaß an der Arbeit und trenne da nicht zwischen Beruf und Freizeit und suche vor allem den Sinn in der gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit. Aber jemand am Fließband, bei Müllabfuhr oder Straßenreinigung wird seine Arbeit schwerlich als Selbstentfaltung empfinden können. Wir beide sind Teil einer intellektuell privilegierten Elite, die nicht zu sehr in höheren Sphären schweben und die Bodenhaftung verlieren sollte.
Die Frage von "Abschaffung von Mangel" oder "dialektischer Aufhebung der Problematik" ist für mich eine unausgegorene Rhetorik. Diese marxistischen Denkfiguren stellen sich mir als religiöse Glaubensgebäude dar, die sich mit der Funktionalität des Wirtschaftens oder von Open Source gar nicht beschäftigt, sondern sich in Beschwörungsformeln und Glaubenbekenntnissen erschöpft. Aber das hat nichts mit diesem Buch zu tun, wäre eine Diskussion für einen anderen Ort. -- HelmutLeitner